Millenials, Generation Y, Generation Z und seit Neuestem auch „Generation Rezo“: Junge Zielgruppen beschäftigen die Marktforschung. Denn die heute unter 30-Jährigen verändern Wirtschaft und Gesellschaft massiv – oft ohne lautstarken Protest und unterhalb des öffentlichen Wahrnehmungs-Radars. Ihre Werte, ihre Wünsche, ihr Lebensstil weichen von dem ihrer Eltern ab.
Identifikation gefragt
Das gilt auch für den Beruf: Statussymbole früherer Generationen sind bei ihnen eher verpönt, stattdessen wünschen sie berufliche Flexibilität und legen Wert auf die persönliche Identifikation mit „ihrem“ Unternehmen. Die Digitalisierung gehört von Kindesbeinen an zum Alltag der „Young Professionals“. Sie prägt das Verständnis von Zusammenarbeit und Kommunikation.
Für Führungskräfte ist das nicht immer einfach zu verstehen. Mit einem Führungsstil, der über Jahre hinweg gut funktioniert hat, kommen sie bei der Generation junger Berufseinsteiger nicht mehr an. Das kann ungewollt zu Missverständnissen auf beiden Seiten führen. Und dazu, dass fähige Bewerber sich für eine andere Stelle entscheiden. In der IT-Branche, die vom Fachkräftemangel besonders betroffen ist, ist das ein Problem. Denn gewinnen Unternehmen nicht die klügsten Köpfe für sich, kann darunter ihre Wettbewerbsfähigkeit leiden. Wer junge Talente erreichen will, sollte daher diese fünf typischen Fehler vermeiden:
Fehler 1: Zu viel Kontrolle
Die Digitalisierung verändert radikal die Art und Weise, wie wir arbeiten. Global vernetzte Teams müssen heute zwangsläufig anders geführt werden als die Belegschaft vor Ort vergangener Jahre. Die Führungskraft, die es gewohnt ist, zu kontrollieren und Aufgaben vorzugeben, ist ein Auslaufmodell. Sie wird abgelöst durch einen Leadertyp, der in der Lage ist, zu erkennen, welches Teammitglied für welche Aufgabe geeignet ist. Dieser „digitale Chef“ stellt Fragen, scheut sich nicht, seine Mitarbeiter um ihre Meinung und ihren Rat zu bitten.
Junge Talente wollen mitgenommen und eingebunden werden – gecoacht oder gar beeinflusst werden wollen sie indes nicht. Sie schätzen Eigenverantwortung. Ein hohes Maß an Kontrolle und Hierarchien empfinden sie schnell als veraltet. Personalverantwortliche sollten deshalb direkt im Bewerbungsgespräch hervorheben, welche Führungskultur das Unternehmen auszeichnet und wie die Zusammenarbeit – zum Beispiel in Projektteams – aussieht. Wichtig ist natürlich, dass das Versprochene auch eingehalten werden kann.
Fehler 2: Zu wenig Flexibilität
Die Anforderungen, denen viele Menschen gegenüberstehen, wandeln sich. Gerade jüngere Berufstätige möchten mehr Freiheit bei der Arbeit, streben nach Flexibilität, einem breiten Aufgabenspektrum und wollen Entscheidungen treffen. Kurz gesagt: Sie wollen in zunehmendem Maß dann arbeiten, wann es zeitlich passt, dort arbeiten, wo es passt und mit den Mitteln, die zu ihnen passen.
Die Millenial-Generation bevorzugt ein Arbeitsumfeld mit Arbeitszonen: Vom offenen PC-Arbeitsplatz über den Meetingraum bis hin zum abgetrennten Loungebereich zum Nachdenken. Uniforme Großraumbüros sind hingegen „out“. Die IT-Infrastruktur sollte auf dem Stand der Technik sein, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice möglich gemacht werden.
Auch das Thema Work-Life-Balance ist wichtig: Vier von fünf Fachkräften mit maximal drei Jahren Berufserfahrung sehen ein positives Verhältnis zwischen Arbeit und Beruf als wichtigen Faktor bei der Auswahl von Arbeitgebern, hat das Karriereportal StepStone herausgefunden. Leben und Arbeit unter einen Hut zu bringen, ist vor allem für junge Eltern nicht immer einfach: Frauen haben immer noch den Hauptanteil an Erziehungsaufgaben zu leisten. Arbeitgeber sollten darauf Rücksicht nehmen. Dies kann auch bedeuten, dass man mit viel Fingerspitzengefühl vermitteln muss zwischen der jungen Mitarbeiter-Generation mit starkem Wunsch nach Eigenverantwortung und der älteren Belegschaft, bei der dieses Bedürfnis weniger ausgeprägt ist.
Fehler 3: Zu wenig Kommunikation
Entscheidungsfreudigkeit von Vorgesetzten, Dialogfähigkeit, zielgerichtetes Informieren, zuhören können sowie vernetztes Denken und Handeln sind entscheidende Bausteine für eine moderne Führungskultur. Und den ersten Eindruck hinterlassen Personalverantwortliche dabei bereits in der Bewerbungsphase: Gleicht das Bewerbungsgespräch eher einem Verhör oder gibt ein Unternehmen auch etwas über sich selbst preis? Werden die Bewerbungsunterlagen sorgfältig geprüft und zügig beantwortet – oder müssen sich Bewerber über Monate gedulden, bis sie eine Antwort erhalten?
Auch die konkrete, handwerkliche Umsetzung von Kommunikation im Arbeitsalltag spielt dabei eine Rolle: Wie wird die kommunikative Distanz überbrückt, die durch Homeoffice oder örtlich verteilte Teams entsteht? Wann und auf welchem Weg müssen Mitarbeiter erreichbar sein – wann dürfen sie auch mal „abschalten“? Führungskräfte sollten ihre Bewerber frühzeitig darüber informieren, wie die Kommunikation im Arbeitsalltag organisiert ist, um späteren Missverständnissen vorzubeugen.
Mit Aufstiegsmöglichkeiten für Digitalisierungsexperten haben Arbeitgeber ein Argument auf ihrer Seite.
Die Arbeitswelt wandelt sich radikal – doch nicht alle Berufe sind gleichermaßen von der Digitalisierung betroffen.
Fehler 4: Zu geringe Beachtung von Werten und Unternehmenskultur
Die Vorstellung von beruflichem Status hat sich radikal verändert. Die Frage, ob ein Mitarbeiter einen Dienstwagen oder ein großes Büro hat, spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Stattdessen finden junge Berufstätige unter 30 eine Mitgliedschaft im Fitness-Club oder ein firmeneigenes Bikesharing-Programm spannend.
Auch mit Aufstiegsmöglichkeiten und Angeboten der beruflichen Weiterbildung haben Arbeitgeber ein Argument auf ihrer Seite. Noch viel wichtiger sind immaterielle Faktoren: Etwa ein gutes Betriebsklima oder die Werte des jeweiligen Unternehmens. 58 Prozent der Berufseinsteiger halten die Identifikation mit der Unternehmenskultur für einen entscheidenden Faktor bei der Job-Auswahl. Können Bewerber die Werte teilen, für die ein Unternehmen in der Gesellschaft steht, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, sich für genau diesen Arbeitgeber zu entscheiden. HR-Experten sprechen dabei auch von „Führen durch Reputation“.
Führungskräfte sollten sich deshalb stets bewusst sein, für welche Werte ihr Unternehmen steht. Dabei decken sich Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung nicht immer: Hier sollte regelmäßig ein Abgleich stattfinden, um herauszufinden, welcher Bewerber zum Unternehmen passt – und umgekehrt.
Checkliste
Fehler 5: Veraltetes Rollenverständnis von Führungskräften
Mangelnde Selbstreflektionsfähigkeit, eine geringe Feedback-Bereitschaft oder die Angewohnheit, sich selbst in den Vordergrund zu drängen, passen bestenfalls zu einem Führungsverständnis von gestern – oder vorgestern. Leadership in digitalen Zeiten bedeutet dagegen, Perspektive zu geben, Haltung und Sicherheit zu vermitteln. Anerkennung und Lob sind für junge Fach- und Führungskräfte wichtige Faktoren, um sich für einen Arbeitgeber zu entscheiden und diesem treu zu bleiben.
Um junge Talente an das Unternehmen zu binden, sollten Manager Zeichen der Anerkennung schon im ersten Kontakt mit dem Bewerber senden. Dies kann der Verweis auf Incentives oder Team-Events sein – oder einfach nur ein freundliches Wort der Anerkennung. Wird die entsprechende Führungskultur im Management vorgelebt, nehmen Bewerber das positiv wahr. Mut und Haltung bei Führungskräften sind die entscheidenden Voraussetzungen, um ein inspirierendes Vorbild zu sein.
Mehr noch als in anderen Branchen betrifft der Wandel der Führungskultur in digitalen Zeiten die IT-Wirtschaft selbst. Kein Wunder also, dass Bewerber hier eine entsprechend hohe Erwartungshaltung an den Tag legen. Führungskräfte und Personalverantwortliche sind gut beraten, sich intensiv mit den Wünschen und Werten der jungen Bewerber-Generation auseinanderzusetzen, die sich in vielen Fragen deutlich von älteren Berufstätigen unterscheidet. Im Kampf um talentierte Fachkräfte kann dies zu einem entscheidenden Vorteil werden.