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Verhindern wir Lernen?

„KI liefert uns schnell das Ergebnis. Der Entstehungsprozess geht an uns vorbei.“ – Richard Seidl

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Richard Seidl

Berater, Coach und Autor


  • 23.10.2025
  • Lesezeit: 4 Minuten
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Ich geh gerne wandern. So bergauf. Der Weg ist oft steinig, manchmal anstrengend, manchmal überraschend schön. Es gibt allerlei zu entdecken. Oben angekommen bin ich nicht nur beschenkt durch die Aussicht, sondern auch durch die Erfahrung in den Beinen: das Stolpern, das Durchatmen, die Gespräche unterwegs. Die Natur. Der Weg ist Teil des Ziels und hat mich ein kleinwenig geprägt. Ich hätte natürlich auch mit der Seilbahn hochfahren können. Bequem, schnell, effizient – die Aussicht oben ist dieselbe. Ist sie das?

Selbiges kann uns auch bei der Nutzung von künstlicher Intelligenz passieren. Wir klopfen unseren Prompt rein, schwupps, fertig ist der Output. Feingeschliffene Texte auf unseren Kontext bezogen. In dem Stil, den wir wollten. Oder fertig programmierter Code. Oder Testfälle aus Anforderungen abgeleitet. Ziel erreicht.

Geht es uns nur um den Output?

Aber geht es uns nur um den Output? Ich glaube, da müssen wir achtgeben. Denn bei dieser Nutzung bleibt einiges auf der Strecke: das Ringen um Klarheit, das Lernen aus Fehlern, das Grübeln, das kreative Querdenken. Und dabei ist es gerade dieser Prozess, der unser Denken schärft, uns wachsen lässt, uns tiefer verstehen lässt, worum es eigentlich geht.

Ich könnte diese Kolumne wahrscheinlich auch mit KI schreiben. Aber was hätte ich davon? Mir geht es hier um die Auseinandersetzung mit Themen. Das Durchkneten von Gedanken in meinen Hirnwindungen. Das möchte ich nicht missen, denn daraus entsteht nicht nur eine Kolumne, sondern auch Unmengen neuer Ideen, Ansätze, Abstracts usw., die mich wieder ein Stück weiterbringen.

Wenn ich nur Code generieren lasse, was lerne ich dabei? Wenn ich mich aber mal durchdebugge durch meinen schlechten Code – dann lerne ich programmieren.

Oder im Software-Testing gerade heiß diskutiert und ausprobiert: Testfälle aus Anforderungen ableiten. Jucheee. Schon wieder 10 neue Testfälle entstanden. Aber schauen wir uns mal die Rolle des Testers an. Dessen Aufgabe ist eigentlich gar nicht so sehr das Erstellen von Testfällen. Es geht um Kommunikation, darum, Fragen zu stellen (auch kritische), um informelle Netzwerke und die Bedürfnisse der Stakeholder für eine gute Qualität. Ich kenne viele Tester, die in ihren Projekten und Unternehmen diejenigen sind, die den größten Überblick haben, die Hinz und Kunz kennen und bei denen sogar Entwickler nachfragen, wie die Zusammenhänge sind. Warum? Weil ich als Tester rumrennen muss um zu verstehen. Um meine Antworten für Testfälle zu bekommen. Und das ganze Wissen rund um ein System lässt es mich besser prüfen. Wenn ich nur Testfälle generiere, fehlt mir da ein großes Stück vom Erfahrungskuchen.

Der Weg ist Teil des Ziels

Nicht falsch verstehen. Ich mag die KI. Ich nutze sie auch gerne. Zum Weiterdenken meiner Ideen ... als Kritiker zu meinen Gedanken und vor allem, um nicht meinen blinden Flecken zu erliegen, die ich so gern ausblende. Großartig, wie mich Kollege GPT da immer wieder korrigiert. Auch alles Ausprobieren ist hier wichtig und richtig. Und doofe Routinen automatisieren – ja bitte gerne!

Aber lasst uns wachsam sein, wofür wir diese Teile nutzen. Zum Höher, Schneller, Weiter? Noch mehr selbstreferenzierender Content? Massig Zeug von geringer Güte? Ich glaub, das ist die falsche Richtung.

Vielleicht macht uns das ganze KI-Gedöns im Endeffekt wieder etwas menschlicher. Einfach weil wir gerne lernen, kreativ sind, forschen, Fehler machen, Fehler ausbessern und uns weiterentwickeln. Das kann uns die KI (noch) nicht abnehmen.

Viele Grüße

Richard Seidl

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Richard Seidl

Berater, Coach und Autor
Zu Inhalten

Richard Seidl ist Berater, Coach und Autor. Er hat in seiner beruflichen Laufbahn schon viel Software gesehen: gute und schlechte, große und kleine, neue und alte. Software so schön, dass man weinen könnte, und auch solche, wo es Fußnägel aufrollt. Für ihn ist klar: Wer heute exzellente Software kreieren möchte, denkt den Entwicklungsprozess ganzheitlich: Menschen, Kontext, Methoden und Tools.


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