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Testdaten – Segen, Risiko, Verantwortung: Warum modernes Testdatenmanagement mehr ist als nur Technik

Testdatenmanagement ist das Rückgrat fundierter Softwaretests – und gleichzeitig ein oft unterschätzter Engpass im Entwicklungsalltag. In Zeiten wachsender Datenschutzanforderungen, internationaler Systemlandschaften und KI-gestützter Testautomatisierung ist der Bedarf nach einem strukturierten, durchdachten Umgang mit Testdaten so hoch wie nie zuvor.

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Christian Knispel

Quality Manager


  • 25.06.2025
  • Lesezeit: 6 Minuten
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Die Realität sieht jedoch oft anders aus: Fehlende oder unvollständige Testdaten bremsen Abläufe, führen zu schwer reproduzierbaren Fehlerbildern oder verfälschen die Aussagekraft automatisierter Tests. Gleichzeitig lauern im unbedachten Einsatz von produktiven Daten erhebliche Risiken – sowohl technisch als auch rechtlich.

Produktivdaten: verlockend, aber gefährlich

Ein Live-Dump wirkt auf den ersten Blick wie die pragmatischste Lösung: Er liefert echte Daten und deckt viele Szenarien automatisch ab. Doch was in der Theorie funktioniert, scheitert in der Praxis häufig an Komplexität, Relevanz und Konformität. Produktivdaten enthalten häufig historische Altlasten, irrelevante Konstellationen oder personenbezogene Informationen, die laut DSGVO nur unter sehr strengen Bedingungen verarbeitet werden dürfen. Teams, die sich in dieser Grauzone bewegen, riskieren nicht nur den Erfolg ihrer Tests, sondern auch rechtliche Konsequenzen.

Hinzu kommt ein oft übersehener praktischer Aspekt: Ein solcher Dump ist häufig zu mächtig für die schmächtige Testumgebung. 100.000 Produkte – manche längst ausverkauft, andere in nicht mehr sichtbaren Kategorien – oder die eigentlich gesuchte Produktausprägung fehlt schlicht. Was auf den ersten Blick nach „echten“ Daten mit hoher Testabdeckung aussieht, entpuppt sich schnell als überdimensionierter Datenklotz, der Systemressourcen überlastet und die Fehlersuche erschwert.

Parallel dazu leidet die Testumgebung: Sie wird zur Blackbox, deren Zustand sich nur schwer kontrollieren lässt. Debugging und Fehleranalyse werden unnötig aufwendig. Ohne Klarheit über Datenherkunft und -struktur geraten Ursachenanalysen schnell ins Stocken – besonders in komplexen End-to-End-Szenarien. Wenn eine Fehlermeldung nur einmal auftritt und niemand weiß, in welchem Zustand sich die Daten befanden, wird selbst der erfahrenste Entwickler zum Detektiv – und das meist auch noch unter Zeitdruck.

Synthetische Daten als Schlüssel zu Kontrolle und Qualität

Synthetische Testdaten sind ein vielversprechender Ausweg – insbesondere dann, wenn man Kontrolle über Struktur, Umfang und Varianten behalten will. Ob manuell gepflegt, durch Skripte generiert oder per Tooling erzeugt: Der initiale Aufwand lohnt sich, wenn die Daten realistisch modelliert sind und typische Fehlerfälle gezielt abdecken. Besonders bei internationalen Projekten reicht es jedoch nicht, einfach per Zufall Namen und Adressen zu erzeugen. Vielmehr müssen kulturelle und technische Besonderheiten berücksichtigt werden – von Formatbesonderheiten über Sonderzeichen bis hin zu Kombinationen, die nur in bestimmten Ländern auftreten.

In unseren Projekten setzen wir auf JavaScript-basierte Generatoren, die adressspezifische Regeln und realitätsnahe Profile für verschiedene Länder abbilden. So entstehen Testdaten, mit denen nicht nur Anomalien im User Interface, sondern auch Validierungsprobleme effizient aufgedeckt werden können. Zusätzlich wird bei der Modellierung auf Abdeckung typischer Grenzwerte geachtet – etwa maximale Zeichenlängen, numerische Schwellen oder länderspezifische Steuernummernformate. Auch semantische Validität spielt eine Rolle: Eine synthetisch korrekte Adresse hilft wenig, wenn sie im Zielsystem einer falschen Region zugeordnet wird.

Parallel dazu gewinnen KI-gestützte Verfahren an Bedeutung. Generative Modelle wie ChatGPT können strukturierte Testdaten in großer Menge und Geschwindigkeit erzeugen – was exploratives Testen enorm erleichtert. Doch auch hier gilt: Was auf den ersten Blick plausibel erscheint, ist bei näherem Hinsehen oft nicht vollständig nutzbar. Generierte Adressen sind nicht immer valide, Sonderfälle fehlen und bei angebundenen Services wie Adressvalidierung oder Altersprüfung versagen die Daten schnell.

Die Lösung liegt im hybriden Ansatz: KI-Generierung, kombiniert mit menschlicher Kontrolle, Korrektur und gezielter Ergänzung. Das erfordert zwar initiale Investitionen, ermöglicht jedoch projektübergreifende Wiederverwendbarkeit und langfristig stabile Testprozesse. Besonders in agilen Projekten zeigt sich der Mehrwert, wenn einmal generierte Datensätze über mehrere Iterationen oder Sprints hinweg eingesetzt, leicht angepasst und versioniert dokumentiert werden können – ein klarer Effizienzgewinn.

Wiederherstellbarkeit, Dokumentation und Verantwortlichkeiten

Ein unterschätzter, aber entscheidender Faktor ist die Wiederherstellbarkeit des Ausgangszustands. Mithilfe von Datenbank-Fixtures lassen sich Testdaten zuverlässig auf definierte Standardwerte zurücksetzen. Das sorgt für Stabilität –- insbesondere bei Tests, die Zustände manipulieren oder Bestände verändern. Ob bestimmte Produktausprägungen, verfügbare Lagerbestände oder Kunden mit spezifischen Merkmalen – ein wiederholbarer Grundzustand schafft Verlässlichkeit in CI/CD-Pipelines und verringert den Pflegeaufwand.

Genauso wichtig ist eine gepflegte, zentral zugängliche Dokumentation der vorhandenen Testdaten: Wer im Team weiß, welche Fälle wo zu finden sind, testet effizienter und zielgerichteter – unabhängig davon, ob man Entwickler, Quality Assurance/Qualitätssicherung oder Product Owner ist. Besonders bei der Einarbeitung neuer Teammitglieder oder beim projektübergreifenden Wissenstransfer ist eine solche Übersicht Gold wert. Sie wirkt wie eine Art „Daten-Kompass“, der dabei hilft, sich im Systemdickicht zurechtzufinden und aussagekräftige Regressionstests zu konstruieren.

Doch Technik allein reicht nicht. Auch organisatorisch muss Testdatenmanagement verankert sein – und das frühzeitig. Die Verantwortung darf nicht diffus auf alle verteilt werden. Gerade der Product Owner spielt eine Schlüsselrolle: Nur er kennt die fachlich relevanten Prozesse und kann definieren, welche Daten für die Abnahme nötig sind. Ohne diese Klarheit drohen Projektverzögerungen. Klare Akzeptanzkriterien, Checklisten zur Datenverfügbarkeit oder sogar eigene Testdaten-Sprints sind probate Mittel, um Verbindlichkeit zu schaffen. Struktur schlägt Improvisation – insbesondere bei wachsender Teamgröße oder verteilten Standorten.

Struktur und eine Prise Kreativität

Und schließlich darf auch ein wenig Kreativität nicht fehlen. So ernst das Thema auch ist – Testdaten dürfen (und sollten) auch Spaß machen. Wer regelmäßig mit synthetischen Daten arbeitet, weiß: Es liegt ein gewisser Reiz darin, humorvolle Elemente einzubauen – mit handfestem Nutzen. In vielen Teams haben sich fiktive Figuren und absurde Produktszenarien etabliert, die Tests nicht nur greifbarer, sondern auch menschlicher machen. Da taucht etwa Karsten Bier auf, wohnhaft „Zum Toten Arm, 59555 Lippstadt“. Andere heißen Claus Taler, wohnhaft „Zum Milchmädchen, 51105 Köln“. Und bei den Produkten? Die „Heizkörperliege für Katzen“ wird zum Bestseller, Sitzbänke triggern Altersverifikationen und auf der Verpackung von Blumenerde prangt ein Etikett mit Goldbrand.

Was zunächst wie ein Scherz klingt, erfüllt einen klaren Zweck: Diese Daten fallen auf. Sie helfen dabei, Validierungsregeln zu prüfen, unerwartete Zusammenhänge aufzudecken oder UI-Anomalien schneller zu erkennen. Wer dagegen mit generischen Platzhaltern wie „Testprodukt 1–5“ arbeitet, übersieht leicht Probleme, die mit sprechenden Beispielen sofort ins Auge springen würden. Natürlich gilt auch hier: Der Witz darf nicht von der Aussage ablenken. Gute Testdaten fokussieren auf das Wesentliche, machen Inhalte sichtbar und unterstützen dabei, Systemverhalten zuverlässig zu prüfen. Richtig eingesetzt fördern solche Daten nicht nur die Testqualität, sondern auch die Teamkultur – und machen den Testalltag ein kleines bisschen unterhaltsamer.

Struktur schlägt Zufall

Fazit: Testdatenmanagement ist mehr als Datenbereitstellung – es ist ein integraler Bestandteil von Qualitätssicherung und Projektorganisation. Es braucht technische Sorgfalt, organisatorische Klarheit, rechtliche Umsicht und manchmal auch ein Augenzwinkern. Wer Testdaten nicht als Randthema betrachtet, sondern aktiv gestaltet, verbessert die Aussagekraft der Tests, beschleunigt Entwicklungsprozesse und stärkt das Vertrauen in die Systeme. Kurz gesagt: Gute Testdaten machen den Unterschied – und manchmal auch den Tag ein bisschen besser.

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Christian Knispel

Quality Manager
Zu Inhalten

Christian Knispel ist Quality Manager bei der dotSource SE in Jena. Als ehemaliger Quereinsteiger sorgt er seit fast fünf Jahren für die Qualitätssicherung in verschiedenen Magento und Intershop eCommerce-Projekten. Zu seinen Aufgaben gehören das Erstellen von Testkonzepten sowie manuelle Tests und die Testautomatisierung mit CodeceptJS und Playwright. Mit Fachwissen, Erfahrung und Kreativität identifiziert er Unstimmigkeiten frühzeitig und trägt so entscheidend zur Steigerung der Projektqualität und Kundenzufriedenheit bei. Für ihn steht fest: Wer heute nutzerfreundliche und möglichst fehlerfreie Software entwickeln möchte, betrachtet nicht nur die Akzeptanzkriterien in Tickets, sondern das Gesamtbild – von den Anforderungen über die Kundenwünsche bis hin zur Endnutzersicht.


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