In einem gut funktionierenden Multipartner-Bonusprogramm wird eine Win-win-win-Beziehung zwischen drei wesentlichen Akteuren – dem Programmbetreiber, den am Programm teilnehmenden Partnerunternehmen und dem Endkunden (im Folgenden Teilnehmer genannt) – hergestellt (Abbildung 1).
Abb. 1: Win-win-win-Beziehung im MultipartnerBonusprogramm
Der Programmbetreiber kümmert sich neben der Markenführung vor allem um den operativen Betrieb und die strategische Weiterentwicklung der dem Programm zugrunde liegenden Marketingplattform und erhält dafür im Gegenzug eine Gebühr von den teilnehmenden Partnerunternehmen. Der Teilnehmer bekommt bei jedem Einkauf bei einem der Partnerunternehmen Basis-Rabatte in Form von DeutschlandCard Punkten gutgeschrieben und kann diese Punkte gegen Prämien eintauschen, bei teilnehmenden Partnern mit den Einkäufen verrechnen lassen oder an wohltätige Organisationen spenden. Die Partnerunternehmen profitieren von einer erhöhten Loyalität der Teilnehmer sowie von deutlichen Synergie-Effekten im Vergleich zu eigenen Kundenbindungslösungen [Ran17]. Außerdem haben sie über die Marketingplattform des Programmbetreibers die Möglichkeit, Sonderrabatte in Form von Coupons gezielt an Teilnehmer auszuspielen und diese damit zusätzlich zu belohnen.
Der richtige Coupon für den richtigen Teilnehmer zum richtigen Zeitpunkt
Die DeutschlandCard [DCa] betreibt eines der führenden Multipartner-Bonusprogramme in Deutschland und bietet heute mehr als 20 Millionen Teilnehmern attraktive Einkaufsvorteile in verschiedenen Branchen (unter anderem Lebensmittel-Vollsortiment und -Discount, Tankstellen, Inneneinrichtung, Bürobedarf, Reiseveranstalter, Apotheken) über ihre Multi-Channel-Marketingplattform. Die Heterogenität der beteiligten Partnerunternehmen mit ihren spezifischen Prozessen und Anforderungen stellt eine analytische Herausforderung dar, die bei unternehmenseigenen Kundenbindungslösungen naturgemäß nicht auftritt. Die Teilnehmer eines Multipartner-Bonusprogramms erwarten heutzutage individualisierte Angebote, die auf ihre Lebenssituation, ihre akuten Konsumbedürfnisse sowie auf ihre Präferenzen bezüglich Ansprachekanal maßgeschneidert sind, und möchten keinesfalls mit einer Vielzahl unpassender Werbebotschaften überfrachtet werden.
Die erste Herausforderung des Programmbetreibers besteht also darin, die Wünsche und Bedürfnisse des Teilnehmers zu kennen beziehungsweise vorherzusehen und diese Kenntnisse im zweiten Schritt in personalisierte 1:1-Kontaktstrecken und -strategien zu überführen. Diese Kontaktstrategien müssen natürlich ebenso die Interessen der Partnerunternehmen bedienen. Die Kernfrage, die es für den Programmbetreiber zu lösen gilt, lautet damit: Spieglein, Spieglein an der Wand – welcher ist der beste nächste Coupon für die Kunden im ganzen Land?
Den Teilnehmer in den Mittelpunkt stellen
Klassische interne Budget- und Planungsprozesse der einzelnen Partnerunternehmen sind oft langfristig angelegt und auf bestimmte Saisonalitäten oder Events ausgerichtet. Insbesondere werden zu solchen Anlässen (wie zum Beispiel Ostern, Pfingsten, Weihnachten, Back-to-school oder Sommerbeginn) auch gerne große Direktmarketing-Kampagnen an die Teilnehmer im Multipartner-Bonusprogramm versendet. Eine unkoordinierte Kampagnenplanung der einzelnen Partnerunternehmen (unabhängig voneinander) führt jedoch zu unerwünschten Effekten. Beispielhaft würden Teilnehmer zu den oben genannten besonderen Anlässen mit einer Vielzahl an Werbebotschaften der einzelnen Partner überfrachtet werden.
Andererseits könnte es abseits der großen Anlässe ebenso Zeiten geben, in denen keines der Unternehmen große Kampagnen geplant hat. Damit würden den Programmteilnehmern zu diesen Zeitpunkten keine Einkaufsvorteile zur Verfügung stehen, was die Teilnahme am Multipartner-Bonusprogramm naturgemäß unattraktiv macht. Mit dezentralen und klassischen, rein anlass- oder einzelkampagnenorientierten Ansätzen können die berechtigten Erwartungen der Teilnehmer in einem Multipartner-Bonusprogramm daher nicht bedient werden. Vielmehr ist es als Programmbetreiber notwendig, zentrale Rahmenbedingungen und Kontaktstrategien zu definieren, bei denen die Interessen des Teilnehmers im Mittelpunkt stehen.
Daten: Das Öl des 21. Jahrhunderts
Für diejenigen Teilnehmer, die bei der Anmeldung zum Programm ihr Opt-in zur Datennutzung gegeben haben, stehen dem Programmbetreiber eine Vielzahl an Informationen zur Verfügung, die er sinnvoll zur Personalisierung der Ansprache im Sinne des Teilnehmers einsetzen kann (Abbildung 2). Bei der Anmeldung gibt der Teilnehmer beispielsweise soziodemografische Daten und seine Wohnadresse bekannt. Über die Postanschrift können die Daten schließlich mit einer Vielzahl an Umfeldfaktoren wie Kaufkraft, vorherrschende Personen- und Gebäudetypologien oder Fahrzeugzulassungen auf mikrogeografischer Ebene angereichert werden. Während der Nutzung des Programms werden weitere relevante Daten erhoben, die Antworten auf wichtige Fragen geben: Welche Partnerunternehmen nutzt ein Teilnehmer wann, wo und wie häufig? Welche Warengruppen und Sortimente nutzt er dabei? Welche Kampagnenkontakte und welche Werbebotschaften hat ein Teilnehmer in der Vergangenheit wann, von welchen Partnerunternehmen und auf welchem Ansprachekanal erhalten und wie hat er darauf reagiert? Diese Informationen werden aus unterschiedlichen Quellsystemen gesammelt und über mehrere Layer hinweg zusammengeführt und aggregiert (Abbildung 3).
Abb. 2: Sammeln von Teilnehmer-Informationen im Multipartner-Bonusprogramm
Abb. 3: Datenlandschaft bei der DeutschlandCard
Die für die Outbound-Kommunikation ausschlaggebenden Daten werden in einem einzigen „Selektions-Data-Mart“ zusammengeführt. Dieser Data Mart enthält heute mehrere Hundert Merkmale und Attribute. Alle Kampagnenselektionen werden darauf aufbauend ausgesteuert.
Analytics macht den Unterschied
Die reine Sammlung historischer Daten ist für eine optimierte Couponaussteuerung allein aber nicht ausreichend. Für keinen Teilnehmer liegen in der Historie sämtliche denkbaren und möglichen Angebotskonstellationen (in statistisch signifikanter Fallzahl) vor, um daraus die optimale Angebotsstrategie abzuleiten. Vielmehr werden mit modernen analytischen Verfahren Vorhersagemodelle zu verschiedensten, bisher nicht beobachteten, aber Business-relevanten Fragestellungen gebildet – hier einige ausgewählte Beispiele dazu:
- Partner- und Sortimentsaffinitäten: Welche Partner/Sortimente aus dem Partnerverbund, die ein Teilnehmer bis heute noch nicht nutzt, sind für ihn potenziell attraktiv? Wann und mit welcher Angebotsmechanik kann ein Teilnehmer am besten zur erstmaligen und anschließend zur nachhaltigen Nutzung dieser Partner/Sortimente motiviert werden?
- Programmverhalten: Welche Programmfunktionalitäten, die ein Teilnehmer noch nicht nutzt, bieten ihm in Zukunft die größten Mehrwerte (Punkte einlösen, digitale Kanäle und Coupons, Teilnahme an Gewinnspielen etc.)? Wann und wie kann er zur Nutzung dieser Möglichkeiten motiviert werden? Bei welchen Teilnehmern droht eine Abwanderung aus dem Programm und wie kann diese am besten verhindert werden?
- Kontakthäufigkeit und Incentivierungs-Mechanik: Ab welcher Kontakthäufigkeit (bezüglich Outbound-Kommunikation an den Teilnehmer) werden zusätzliche Anstöße als unangemessen oder lästig empfunden? Welche Mechanik an Zusatzoder Mehrfach-Punkten liefert dem Teilnehmer aus seiner Sicht den größten Mehrwert (wenige, aber dafür hohe Rabatte; viele kleine Rabatte; Gewinnspielmechaniken ohne feste Rabatte, aber dafür mit der Chance auf große Gewinne)?
- Datenaktualität: Bei welchen Teilnehmern ist die angegebene Wohnadresse oder sind andere angegebene Stammdaten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr aktuell? Wo muss man nachfassen? Die Herausforderung für den Programmbetreiber besteht also darin, eine Vielzahl hochperformanter analytischer Modelle zu entwickeln und diese operativ zu betreiben. Bei der DeutschlandCard wird dies (für Fragestellungen wie oben aus dem Bereich des Supervised Learning) über eine sogenannte Scoring-Engine abgebildet (Abbildung 4).
Abb. 4: Ablaufschema der Scoring-Engine
Über ein Zusammenspiel zwischen Datenbank und Analysesoftware werden sowohl die Datenaufbereitung, das Modelltraining, die Modellvalidierung mittels Crossvalidation und Backtesting als auch das Deployment, also die Anbindung an dieoperativen Prozesse, gesteuert und abgebildet. Die beteiligten Analysten definieren lediglich die Zielgröße, die binär- oder intervallskaliert sein kann, und überwachen den Modellbildungs- und Validationsprozess sowie natürlich die Anwendung der Scores über Praxistests in echten Kampagnen. Durch die Scoring-Engine konnte der manuelle Aufwand zur Inbetriebnahme eines neuen Modells um mehr als 90 Prozent reduziert werden.
Bei der DeutschlandCard kommen verschiedenste analytische Modelle zum Einsatz – einen guten Überblick über relevante Verfahren und Modellklassen geben [Bis10] und [HTF17]. Wie im analytischen Marketing üblich zählen für Fragestellungen aus dem Bereich Supervised Learning klassische Regressionsmodelle sowie Entscheidungsbaum-basierte Verfahren zu den am häufigsten angewendeten Modellarten. In ausgewählten Einzelfällen (in denen kleine Verbesserungen der Vorhersage-Performance großen Business-Impact generieren) kommen auch „modernere“ Machine-Learning-Verfahren zum Einsatz. In der Regel rechtfertigen die erzielten Performance-Verbesserungen der komplexen Verfahren den erhöhten Betriebsaufwand jedoch nicht (Abbildung 5).
Abb. 5: Beispielhafter Modellvergleich
Für hochfrequente Teilnehmer, für die eine ausreichend große Anzahl von Datenpunkten im Zeitverlauf pro Teilnehmer vorliegt, erlangen Zeitreihenanalysen eine besondere Bedeutung. Ausreißer-, Trend- und Saisonbereinigung, Glättungsfunktionen und verschiedene heuristische, je nach Fragestellung hochgradig adaptive Prognoseverfahren liefern hier das Rüstzeug, um valide Prognosen über das Einlöse-, Kauf- und Kanalnutzungsverhalten aus der Historie der Teilnehmer abzuleiten und darauf aufbauend die richtigen Angebote vorherzusagen [MeR12]. Durch eine performante BI-Landschaft lassen sich auf Basis solcher Ansätze zum Beispiel bereits kurz („near-time“) nach dem Kaufvorgang eines Teilnehmers aktualisierte Vorhersagen zum weiteren Einkaufsverhalten ableiten und darauf aufbauend personalisierte Angebote („Next best offer“) über die digitalen Kanäle aussteuern.
Wo alles zusammenspielt: Überführung in abgestimmte 1:1-Kontaktstrategien
Ziel des Programmbetreibers ist es, aufbauend auf den gesammelten Daten und den daraus abgeleiteten analytischen Modellen für die Teilnehmer attraktive, individualisierte und ineinandergreifende Kontaktstrecken entlang sämtlicher Phasen des Kundenlebenszyklus aufzubauen [Kra07]. Diese müssen die Interessen des Teilnehmers in den Mittelpunkt stellen, zudem aber auch die Wünsche der Partnerunternehmen berücksichtigen und deren Ziele unterstützen.
Zusätzlich kommen erschwerend unterschiedliche Planungshorizonte hinzu: Große Partnerunternehmen planen ihre Marketingaktivitäten in der Regel langfristig. Im Bereich von Print-Mailings zum Beispiel muss die Planung bereits frühzeitig sehr detailliert erfolgen, da Kosten, freie Druckereikapazitäten und entsprechende Warenkontingente ebenso wie technische und personelle Rahmenbedingungen vorgesehen werden müssen.
Neben dieser langfristig angelegten Planung gibt es natürlich andererseits auch das Bestreben, möglichst kurzfristig auf bestimmte Entwicklungen zu reagieren und entsprechend nachjustieren zu können. Wie führt man nun die unterschiedlichen Ziele, Planungshorizonte und Rahmenbedingungen zusammen? Bei der DeutschlandCard hat sich eine übergreifende Kontaktstrategie, die auf folgenden beiden Kernkomponenten beruht, bewährt (Abbildung 6):
Abb. 6: Kontaktstrategie mit zwei Komponenten
- Jahresplanung: Den ersten Block der übergreifenden Kontaktstrategie, der die Basis formt, bildet eine abgestimmte Jahresplanung der großen strategischen Kampagnen. Diese werden in erster Linie über den Print-Kanal ausgespielt und gegebenenfalls digital ergänzt. Für diesen Teil der Planung werden anhand des Programmverhaltens und der darauf aufbauenden analytischen Modelle und Prognoseverfahren robuste, zukunftsorientierte Teilnehmercluster gebildet (zum Beispiel Nutzungsfrequenz, Couponeinlöse- und Kanalverhalten, Entwicklungspotenzial). Pro Segment werden dann individuelle Ziele für den Teilnehmer festgelegt und darauf aufbauend optimierte Kontaktstrategien in Bezug auf die Erhöhung der Programmnutzung abgestimmt. Zum einen wird über diese Jahresplanung eine Mindestversorgung der Teilnehmer mit für sie relevanten Angeboten und Einkaufsvorteilen sichergestellt. Darüber hinaus werden in diesem Block aber auch bereits bindende Kontakt- und Vorfahrtsregeln für den folgenden Block definiert. So wird unter anderem festgelegt, wie viele Kontakte ein Teilnehmer maximal in einem vorgegebenen Zeitraum erhalten darf und welche Partner Vorrecht auf die Kontakte haben.
- Nachjustierung: Im zweiten Block der übergreifenden Kontaktstrategie spielt die Analytik eine entscheidende Rolle. Hier sind modellbasierte Monitorings implementiert, die einerseits „chancenorientiert“ agieren und unmittelbar anschlagen, sofern sich bei einem Teilnehmer aus dem aktuellen Verhalten und Kontext Möglichkeiten zu einer vertieften Programmnutzung – zum Beispiel durch die Nutzung weiterer Partner oder Angebote – ergeben. Andererseits laufen diese Monitorings auch „risikoorientiert“ und bilden ein Frühwarnsystem, wenn bei bestimmten Teilnehmern eine reduzierte Programmaktivität oder gar ganzheitliche Inaktivität droht. Sind in den Monitorings bestimmte Schwellenwerte überschritten, greifen automatisierte Trigger-Logiken, die zu einer zusätzlichen Outbound-Kommunikation an die Teilnehmer führen. Eine analytische Decision Engine priorisiert dabei die Outbound-Kontakte für den Fall, dass gleichzeitig mehrere Trigger bei einem Teilnehmer anschlagen, und wählt individuell den richtigen Ansprachekanal und die richtige Incentivierungs-Mechanik aus. Um die notwendige Datengrundlage für eine Validierung und Verbesserung der laufenden Modelle dauerhaft sicherzustellen, muss bedacht werden, dass ein permanentes Aussteuern „optimaler“ Angebote langfristig zu unerwünschten Verzerrungen führen kann, da nur noch analysiert wird, was vorgeschlagen wurde [Lei18]. Das bewusste Ausspielen randomisierter Coupons wie auch die Vielfalt der Partneraktivitäten helfen dieses Problem zu minimieren.
Fazit: Durch Analytik und Technik zufriedene Teilnehmer und Partner
Um den Interessen der Teilnehmer und Partner in einem Multipartner-Bonusprogramm gerecht zu werden, ist es zwingend notwendig, neben einer klassischen, langfristig orientierten Planungskomponente auch die kurzfristige Aussteuerung von individualisierten Angeboten zu ermöglichen. Mittels Sammlung der relevanten Daten und der darauf aufbauenden Advanced-Analytics-Verfahren kann die Relevanz der Angebote für den Teilnehmer hergestellt und der passende Kontext und Zeitpunkt für eine effektive Outbound-Kommunikation ermittelt werden. Dafür muss die geeignete technologische und analytische Infrastruktur zur Verfügung stehen, um die ermittelten Markt-Insights in konkrete Handlungen zu überführen. Der hier beschriebene Ansatz hat sich in der Praxis bewährt und liefert attraktive Angebote für die Teilnehmer und bietet gleichzeitig Mehrwerte für die Partnerunternehmen.
Weitere Informationen
[Bis10] Bishop, C. M.: Pattern Recognition and Machine Learning. Springer 2010
[DCa19] DeutschlandCard, siehe www.deutschlandcard.de
[HTF17] Hastie, T. / Tibshirani, R. / Friedman, J.: The Elements of Statistical Learning. Springer 2017
[Kra07] Kraft, M.: Kundenbindung und Kundenwert. Physica-Verlag 2007
[Lei18] Leigh, A.: Randomistas – How radical researchers are changing our world. Yale University Press 2018
[MeR12] Mertens, P. / Rässler, S. (Hrsg.): Prognoserechnung. Springer 2012
[Ran17] Ranzinger, A.: Praxiswissen Kundenbindungsprogramme: Konzeption und operative Umsetzung. Springer Gabler 2017