Wie gefragt IT-Experten heutzutage sind, belegt der aktuelle „CIO Priorities-Report“, der von der IT-Beratung Flexera vorgelegt wurde. Die 111 befragten europäischen CIOs benennen den Engpass an passenden Fachkräften als Schlüsselfrage bei der Bewältigung der digitalen Transformation. Die Umfrage macht ein weiteres Mal deutlich, dass Unternehmen darauf angewiesen sind, Lücken hinsichtlich Qualifikation und Fähigkeiten zu füllen. Das sei vor allem in Bereichen wie Cloud und Cloud-Migration sowie der Cybersicherheit nötig, so die IT-Führungskräfte.
Der Bedarf an IT-Fachkräften wächst also noch weiter – und zwar deutlich. Neben der IT-Branche im engeren Sinn suchen immer mehr Unternehmen aus den „traditionellen“ Bereichen Handel, Handwerk und Industrie IT-Fachleute, da der Bedarf nicht mehr nur durch Dienstleistungsunternehmen gedeckt werden kann.
Wie gewinnt ein Unternehmen IT-Profis?
Wie können es Unternehmen schaffen, in diesem auch weiterhin scharfen Wettbewerb kluge Köpfe für sich zu gewinnen? Das oberste Gebot bei diesem nicht ganz einfachen Unterfangen ist es zunächst einmal, die eigenen Hausaufgaben zu erledigen: Das heißt, im Betrieb gemeinsam mit allen beteiligten Abteilungen und Fachkräften festzulegen, was genau gesucht wird und welche Aufgaben der zukünftige Mitarbeiter erfüllen soll. Dabei ist es wichtig, sich gezielt mit der zu besetzenden Funktion zu beschäftigen: Nur so wird sich der potenzielle Bewerber durch eine Stellenanzeige auch angesprochen fühlen und in der Beschreibung wiedererkennen können.
Das Hinzuziehen von Personalberatern kann dabei sinnvoll sein: Vorausgesetzt, diese bringen eine exzellente Markt- und Branchenkenntnis mit. Drei Schwerpunkte sind dabei wichtig:
- Branchenspezifische Kenntnisse der Inhalte bei der zu besetzenden Funktion.
- Branchenspezifische Kenntnisse des Wettbewerbs.
- Branchenspezifische Kenntnisse des Markts.
Neben diesen kurzfristigen, auf eine konkret zu besetzende Stelle ausgerichteten Maßnahmen, sollten Unternehmen Ideen umsetzen, die es ihnen langfristig ermöglichen, kompetente junge Fachkräfte für sich zu gewinnen. Dabei kommt es auch darauf an, unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen, um Mitbewerbern einen Schritt voraus zu sein.
Einblicke „hinter die Kulissen“
Für größere Unternehmen bietet sich die Möglichkeit, eigene kleine Standorte in Städten zu etablieren, wo einschlägige IT-Fächer von Studierenden an der Hochschule vor Ort belegt werden. Das schafft Möglichkeiten, die jungen künftigen Fachkräfte für das eigene Unternehmen zu begeistern. Die Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen oder das Anbieten von Schnuppertagen, bei denen sich das Unternehmen für Studierende öffnet, können solche Ansätze sein. Im Idealfall lernen Studierende dabei nicht nur die Kultur eines Unternehmens kennen, sondern werden gleich in echte Projekte und Teams eingebunden.
Noch früher setzen Berufsinformationstage für Schüler an: Häufig sind Abiturientinnen und Abiturienten noch unsicher in Fragen der Berufswahl. Ein Blick „hinter die Kulissen“ eines Unternehmens sorgt dafür, Hürden abzubauen und einen womöglich wertvollen Kontakt aufzubauen. Wichtig ist es dabei, die Breite und Vielfalt darzustellen, die die IT-Welt bietet: Von App-Entwicklung und Content-Produktion über das Programmieren von Online-Spielen bis hin zur Konstruktion einer elektronischen Sicherheitsarchitektur oder der Analyse von hochkomplexen Daten. Zwischen Virtueller Realität, Künstlicher Intelligenz und 3-D-Druck hat die IT-Welt durch ihre Breite und Vielfalt beste Chancen, die unterschiedlichen Neigungen der künftigen „Young Professionals“ anzusprechen.
Ins rechte Licht gerückt – was Unternehmen heute sexy macht
Der Bewerbungsprozess hat sich in den vergangenen zehn Jahren fundamental gewandelt. Wichtig ist es, dass Unternehmen darauf achten, dass ihre Personalabteilung mit diesem Tempo Schritt hält.
Traditionell war das Rekrutieren neuer Mitarbeiter ein Prozess, der von persönlicher Interaktion geprägt war. Jetzt verlagern sich die Abläufe mehr und mehr in die virtuelle Welt. Bewerberprofile werden von Algorithmen vorgefiltert. Die Vernetzung über Social Media sorgt für steigende Transparenz. Um Einstellungsprozesse zu optimieren, ist deshalb eine gute Vorbereitung entscheidend. Wichtig: In Zeiten der digitalen Transformation findet der Bewerbungsprozess auf unterschiedlichen Kommunikationskanälen statt. Sei es über eine App, das Internet, das Intranet, bei Messen oder über Medien. Auch ein Chat mit potenziellen Bewerbern via WhatsApp oder Facebook-Messenger ist keine Seltenheit mehr.
Pickten sich früher die Personalchefs geeignete Kandidaten aus einem zumeist breiten Bewerber-Pool heraus, verhält es sich heute oft genau umgekehrt: In der IT-Branche können gut ausgebildete Fachkräfte zwischen mehreren Arbeitgebern auswählen. Speziell junge High Potentials fragen dabei nicht nur nach dem Gehalt, sondern auch nach der Work-Life-Balance.
Die Spitzen-Absolventen wollen viel leisten, aber nicht innerhalb kurzer Zeit durch Dauerstress und 70-Stunden-Wochen verheizt werden. Sie wissen, dass sich ihre Lebensarbeitszeit verlängert und sie die Anforderungen über Jahrzehnte nur mit einem ausgewogenen Lebensstil durchhalten.
Unternehmen können sich hier mit arbeitnehmerfreundlichen Angeboten wie flexibler Arbeitszeit oder Homeoffice-Tagen profilieren. Doch reicht das aus, um sich als attraktive Arbeitgebermarke trennscharf vom Wettbewerb abzuheben? Oft ist es die Führungskraft, die schon während des Bewerbungsprozesses zu einem „Markenbotschafter“ wird: Sie personifiziert Betriebsklima und Unternehmenskultur. Und sollte sich dessen bei jedem Einstellungsgespräch bewusst sein.
Flexible Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort
Die flexible Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort ist ein Weg, um als Arbeitgeber zu punkten und junge IT-Profis auch zu halten, nachdem man sie gewonnen hat. Ein weiterer wichtiger Faktor: Das sinnvolle Zerlegen von Projekten derart, dass die eine Hand immer noch weiß, was die andere tut. Damit der Wertgewinn nicht durch unvollständige oder vieldeutige Übergaben verloren geht, ist ein tiefes Verständnis für Teamzusammensetzung und ihre Prozesshaftigkeit erforderlich.
Die raschen Veränderungen der Arbeitswelt führen auch dazu, dass bestehende Hierarchien hinterfragt werden und sich Führungspersönlichkeiten neuen Typs herausbilden: dynamisch, verbunden mit einer Bereitschaft zum gelegentlichen Perspektivwechsel. Stets mit einem einfühlsamen Blick auf die prägenden Erfahrungen in der Karrierelaufbahn jedes einzelnen Mitarbeiters im Team: Vom Start ins Unternehmen über die ersten Karriereschritte und einen begleiteten Standortwechsel, über die neuen Aufgaben als Experte, bis hin zum persönlichen Krisenmanagement und – auch das kann dazu gehören – dem Verlassen des Unternehmens.
In der Arbeitswelt der Zukunft sind die Entscheiderinnen und Entscheider trotz ihrer exponierten Position vor allem auch Impulsgeber: FührungsKRÄFTE im besten Sinne des Wortes, die ihrem Team Antrieb und Inspiration verleihen. Anstatt fertige Programme vorzugeben, muss dieser neue Führungstyp die „Silogrenzen“ überwinden und ein möglichst überzeugendes Mitarbeitererlebnis schaffen. Dabei setzt er auf eine Kooperation mit der Belegschaft, die von der Eingliederung bis hin zum Leistungsmanagement stilprägend wirkt.
Unternehmen, die in ihrer Firmenkultur und im gelebten betrieblichen Alltag diese Herausforderungen annehmen, haben beste Chancen, auch in Zukunft „Young Professionals“ für sich zu gewinnen.