„Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts“ – mit dieser oder ähnlichen Plattitüden soll der extreme Wert von Daten und deren hohe Bedeutung in Zeiten der Digitalisierung zum Ausdruck gebracht werden. Leider ist man immer wieder aufs Neue erstaunt, wie stiefmütterlich der Vermögensgegenstand Daten in vielen Unternehmen trotz der angeblich so hohen Bedeutung behandelt wird. Anders als bei anderen zentralen „Assets“ des Unternehmens wie zum Beispiel Human Capital oder Finanzmittel existiert in der Regel keine eigenständige Organisationseinheit, die explizit die Zielsetzung verfolgt, den Wert der Daten effizient und unter Einhaltung eines rechtlichen und ethischen Rahmens zu maximieren.
Ganz im Gegenteil werden Daten nach wie vor eher als „Abfallprodukt“ im Rahmen der wertschöpfenden Prozessdurchführung angesehen und die technische, aber auch die fachliche Verantwortung für Daten wird vorschnell auf die IT abgewälzt. In der Konsequenz entsteht in vielen Organisationen ein Verantwortungsvakuum. Regelmäßig führt dieses Vakuum zu erheblichem Aufwand etwa bei der Suche nach Dateninhalten und Datenquellen für neue Use-Cases. Außerdem kommt es zu intransparenten und redundanten Aufwänden bei der Pflege und Abstimmung von Daten. Auch das Erkennen von Datenqualitätsmängeln bleibt häufig zufällig und zieht keine nachhaltigen Veränderungsprozesse nach sich.
Die gute Nachricht ist, dass mehr und mehr Unternehmen verstehen, dass man dieses Verantwortungsvakuum reduzieren muss, um den vermuteten Datenschatz zu bergen. Daher starten heute vielerorts Data-Governance-Initiativen, um mit Hilfe von Rollen und Verantwortlichkeiten, Richtlinien und Standards, Prozessen und Verfahren, technologischer Unterstützung sowie Methoden zur Messung der jeweiligen Zielerreichung ein geeignetes organisatorisches Setup zur Etablierung einer Data Governance zu finden.
Die schlechte Nachricht ist aber auch, dass alle Umsetzungsmaßnahmen mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden sind und man in der Regel in allen oben skizzierten Handlungsfeldern gleichermaßen aktiv werden muss. Eine technologische Unterstützung mit Hilfe eines Datenkatalogs ohne Rollen mit verfügbarer Kapazität wie einem Data Steward oder einem Data Custodian, um Metadateninhalte zu pflegen und zu prüfen, ist beispielsweise von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die große Gefahr ist in diesem Fall, dass man über einen automatischen Metadatenimport ohne Qualitätssicherung durch Data Stewards und Data Custodians massenhaft irrelevante Datenobjekte in den Datenkatalog pumpt und potenzielle Nutzer nach der ersten Anmeldung durch nutzlose Metadaten eher abgeschreckt werden. An dieser Stelle kommt es regelmäßig zum „Lackmus-Test“: Wenn man an den Vermögenswert Daten glaubt, wird man auch ein entsprechendes Investment nicht scheuen. Wenn das Top-Management und die Fachseiten jedoch zum Beispiel nicht bereit sind, Zeit ihrer besten Fachexperten für die Übernahme einer Data-Steward-Rolle bereitzustellen, wird man kein konsistentes und vollständiges Business Glossary oder andere qualitätsgesicherte Inhalte in einem Datenkatalog erstellen können. Wenn Unternehmen nicht einen definierten Datenteilungsprozess unter vollständiger Beachtung von Schutzbedarfen mit hohem Abstimmungsaufwand erstellen, wird sich keine offene Datenkultur im Unternehmen etablieren.
Die Analogie zum Thema Öl ist offensichtlich: Auch hier sind im Beispiel der Offshore-Erdölförderung hohe Investitionen notwendig, bevor das erste Barrel Rohöl gewonnen wird. Wenn man den Wert der Daten als zentralen Rohstoff ernst nimmt, dann muss klar sein, dass bei allen notwendigen Investitionen in zunehmend komplexere Technologien und vielfältigere Datenplattformen und Analysesysteme die umgebende Organisation sich nicht von selbst und nebenher einstellt. Data Governance ist daher kein optionales, sondern ein mandatorisches Investment für jedes Unternehmen! Wer hier spart, wird den Datenschatz nicht heben.