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Jobprofile in der Softwareentwicklung

Im Zuge der Digitalisierung erleben Automobilhersteller und -zulieferer momentan zunehmend verschwimmende Branchengrenzen zwischen klassischer Automotive- und moderner IT-Industrie. Nachdem diese Entwicklung anfänglich vor allem durch den Einzug der Consumer-IT in Autos getrieben wurde, sind es derzeit vor allem aufkommende Mobilitätskonzepte wie Elektromobilität, (teil-)autonomes Fahren sowie die Vernetzung von Fahrzeugen, die diesen Trend beeinflussen.

  • 25.09.2020
  • Lesezeit: 7 Minuten
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Obgleich die innovativen Konzepte der Automobilbranche hohe Ansprüche an die Hardware stellen, sind es doch vor allem hochspezialisierte Softwareapplikationen, die ihre eigentliche Funktionalität gewährleisten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass im Automotivebereich tätige Unternehmen verstärkt auf gut ausgebildete Softwareentwickler angewiesen sind.

Doch welche Qualifikationsanforderungen werden an solche Softwareentwickler momentan und zukünftig gestellt? Diese Frage wird aufgrund der Aktualität der angesprochenen Entwicklungen und der bisher auf dem Arbeitsmarkt nicht fest etablierten Stellenprofile sowohl für viele Unternehmen mit Fachkräftebedarf als auch für interessierte Bewerber immer wichtiger.

Stellenausschreibungen als Zugang zu Qualifikationsanforderungen

Die Beschreibung und Vorhersage von Qualifikationsanforderungen, die mit aktuellen technischen Entwicklungen einhergehen, stellt ein Problem dar. Ein möglicher Lösungsansatz hierfür ist die Analyse von Stellenanzeigen. Diese spiegeln die Erwartungen von Unternehmen an ihre zukünftigen Mitarbeitenden wider und bieten damit eine Möglichkeit, Veränderungen von Arbeitsanforderungen am Arbeitsmarkt zu untersuchen und zu beschreiben (Sailer, 2009).

In einer breit angelegten Studie wurden insgesamt 769 Stellenanzeigen von 76 verschiedenen Unternehmen, darunter Automobilhersteller und -zulieferer sowie diverse Entwicklungsdienstleister, untersucht. Um Zugang zu diesen Stellenanzeigen zu bekommen, wurden Ende 2019 verschiedene Jobportale (z. B. StepStone) und Karriereseiten entsprechender Unternehmen beobachtet und alle relevanten Stellenanzeigen systematisch archiviert. Die Stellenanzeigen wurden im Anschluss mithilfe eines vorher festgelegten Kategoriensystems im Hinblick auf die genannten Qualifikationsanforderungen klassifiziert und nachfolgend statistisch ausgewertet.

Identifizierte Qualifikationsanforderungen

In den Stellenanzeigen konnten 14 Überkategorien relevanter Qualifikationsanforderungen identifiziert werden: Programmiersprachen, Standards, Konnektivität, Hardware, automatisierte und autonome Fahrfunktionen, Betriebssysteme, Prozessmodelle, Elektrifizierung, Mensch-Maschine-Schnittstelle, Datenbanken, Bild- und Signalverarbeitung, Künstliche Intelligenz, IT-Sicherheit und Big Data, die im Nachfolgenden kurz beschrieben werden. Mit Abstand am häufigsten nachgefragt wurden Kenntnisse in bestimmten Programmiersprachen.

Die deutsche Automobilbranche wird von den Programmiersprachen C bzw. C++ dominiert (79,1 % der Nennungen). Die Sprachen Java (20,2 %), Matlab/Simulink (19,6 %) und Python (18,3 %) werden in ungefähr jeder fünften Stellenausschreibung von den Bewerbern gefordert. Die Allzwecksprache C# wird in 11,7 % der Stellenanzeigen genannt. Nur sehr vereinzelt werden Websprachen wie JavaScript (2,7 %) und HTML (2,6 %) verlangt. 4,2 % der Stellenanzeigen beinhalten die Modellierungssprache UML.

Hardware und autonome Fahrfunktionen

In der Automobilbranche steht die Entwicklung von eingebetteten Systemen im Vordergrund. Infolgedessen müssen Softwareentwickler auch relevante Kenntnisse im Bereich der Hardware besitzen. Hierbei werden Kenntnisse zu Steuergeräten mit 13,9 % am häufigsten von den Unternehmen verlangt. In etwa jeder zehnten Stellenanzeige (10,3 %) wird gefordert, dass Bewerber im Umgang mit Mikrocontrollern bewandert sein sollten.

Etwa 6,1 % der Stellenanzeigen beinhalten konkrete Anforderungen an Sensorik. Hierbei beziehen sich die meisten Nennungen auf den Bereich der Umfeldwahrnehmung für die Umsetzung automatisierter und autonomer Fahrfunktionen, zweifelsohne ein zentraler Aspekt der digitalen Transformation der Automobilbranche. Die Stellenanzeigenanalyse verdeutlicht, dass das Thema bei fast allen Herstellern und Zulieferern innerhalb der Branche weit oben auf der Agenda steht. Die Automobilbranche erwartet ungefähr in jeder vierten Stellenanzeige (25,2 %) Kenntnisse in diesem Bereich.

Die im Automobil verbauten und eingebetteten Systeme sind in den meisten Fällen sicherheitskritisch. Daraus entstehen höhere Anforderungen an die Zuverlässigkeit, Übertragbarkeit und Sicherheit der Betriebssysteme. Ein überwiegender Anteil der Stellenanzeigen umfasst Nennungen im Bereich der Echtzeitbetriebssysteme (24,8 %). Das vorherrschende Betriebssystem in der Automobilbranche ist Linux. Vereinzelt nennen die Stellenanzeigen auch Windows. Aufgrund der zunehmenden Integration der Konsum- und Unterhaltungselektronik finden sich im Datensatz auch Anforderungen hinsichtlich mobiler Betriebssysteme wie Android oder iOS.

Prozessmodelle und Elektrifizierung

Agile Arbeit wird auch in der Automobilbranche bei der Entwicklung von Software immer wichtiger. Etwa jede fünfte Stellenanzeige (20,4 %) erwartet von den Bewerbern Kompetenzen in Bezug auf agile Methoden. Hier wird von den Unternehmen am häufigsten Scrum gefordert. Andere agile Methoden wie z. B. Kanban werden nur vereinzelt genannt. Es kann aber darüber hinaus angenommen werden, dass klassische Modelle wie z. B. das V-Modell von den Unternehmen weitestgehend vorausgesetzt werden, weshalb sie nur 4,8 % der Stellenanzeigen explizit erwähnen.

Die Elektrifizierung spielt im Vergleich zum autonomen Fahren für die Softwareentwicklung eine geringere Rolle. Dennoch sind Softwareanwendungen z. B. für Batterie-Management-Systeme und im Bereich der Steuerungselektronik notwendig und werden in 11,3 % der Stellenanzeigen genannt.

Kenntnisse im Bereich Künstliche Intelligenz werden in 5,7 % der Stellenanzeigen gefordert. Die Unternehmen der deutschen Automobilbranche erwarten den Einsatz von Algorithmen und Technologien des maschinellen Lernens. Auch die damit verbundenen Frameworks, wie z. B. Tensorflow, Keras oder Caffe. Vereinzelt müssen Bewerber auch Anforderungen mit neuronalen Netzen und Deep Learning erfüllen.

Abb. 01: Prozentuale Häufigkeitsverteilung der Anforderungen der Automobilbranche für die Softwareentwicklung

Sich wandelnde Anforderungsprofile

Verschiedene der gerade beschriebenen Qualifikationsanforderungen wurden in den ausgewerteten Stellenanzeigen gemeinsam genannt. Auf Basis einer Analyse dieser Zusammenhänge konnten fünf inhaltlich konsistente Stellenprofile extrahiert werden, welche einzelne Anforderungen für spezifische betriebliche Tätigkeitsmuster bündeln.

Der „klassische Entwickler“ muss im Zuge der digitalen Transformation in erster Linie Anforderungen im Bereich der automatisierten und autonomen Fahrfunktionen erfüllen. In engem Zusammenhang hierzu stehen die Themen Mensch-Maschine-Schnittstellen sowie Connected Car und Cloud-Computing. Für die Bewältigung dieser Anforderungen dienen vornehmlich die Programmiersprachen C bzw. C++, Java, Python und C#. Darüber hinaus müssen dem „klassischen Entwickler“ agile Entwicklungsmethoden sowie die entsprechenden Zielbetriebssysteme (z. B. Linux) bekannt sein, für die das Softwareprodukt letztendlich konzipiert ist.

Prozessmanager und konzeptionelle Entwickler

Auf den „Prozessmanager“ kommen hauptsächlich Anforderungen im Bereich der in der Branche vorherrschenden Standards zu. Mit zunehmender Berufserfahrung tritt beim Softwareentwickler die reine Implementierung in den Hintergrund – und Aufgaben im Bereich der Softwareprozesse rücken in den Vordergrund. Weiterhin muss der „Prozessmanager“ Anforderungen im Bereich der Hardware, respektive Steuergeräte und Mikrocontroller bewältigen. Hierzu gehören auch Kenntnisse über die interne Vernetzung der Hardware über die Bussysteme. Anforderungen im Bereich der Elektrifizierung stehen ebenfalls im engen Zusammenhang mit der Hardware und werden in diesem Kontext auch in den Stellenanzeigen genannt. Der „Prozessmanager“ nutzt vornehmlich die Programmiersprache Matlab/Simulink, um Prozesse zu modellieren.

Der „konzeptionelle Entwickler“ nimmt eine Sonderstellung ein. Für die Umsetzung des Softwaredesigns für automatisierte und autonome Fahrfunktionen gibt es einige Spezialisten, die Anforderungen im Bereich der KI erfüllen müssen. In diesem Zusammenhang werden auch die Themen der Sensorik und Bild- und Signalverarbeitung in geringem Umfang von den ausschreibenden Unternehmen nachgefragt.

Datenexperten und Webentwickler

Der „Datenexperte“ muss Anforderungen im Bereich von Datenbanken und „Big Data“ erfüllen. Das Datenmanagement wird innerhalb der Automobilbranche immer wichtiger, wenn es darum geht, zusätzliche Services bereitzustellen oder bestehende zu verbessern. Die geringen numerischen Ausprägungen der Kategorien legen nahe, dass Softwareentwickler eher Schnittstellenfunktionen übernehmen und es separat Experten gibt, die auf die Auswertung großer Datenbestände spezialisiert sind.

Das Profil des „Webentwicklers“ ist innerhalb der Automobilbranche eher selten anzutreffen. Nur in sehr spezifischen Anwendungsfällen sind Anforderungen an die Websprachen JavaScript und HTML zu erfüllen, wobei diese dann ein eigenes Tätigkeitsprofil darstellen.

Aktuelle Mobilitätstrends wie autonomes Fahren, Elektromobilität und Konnektivität sind maßgeblich für veränderte Anforderungsbedarfe in der Automobilbranche verantwortlich und verlangen von Softwareentwicklern eine kontinuierliche Anpassung an sich wandelnde technologische Rahmenbedingungen.

Die Ergebnisse dieser Analyse können einerseits der Planungsgrundlage für das betriebliche Kompetenzmanagement von Unternehmen in der Automobilbranche sowie der Orientierung potenzieller Bewerber auf dem Arbeitsmarkt für Softwareentwickler dienen.

Die erlangten Erkenntnisse helfen Fachkräften und Unternehmern gleichermaßen dabei, Kompetenzen zu bewerten und einzuordnen. Die identifizierten Anforderungsprofile bieten erste Anhaltspunkte, welche Kompetenzen in welcher Kombination aktuell und in Zukunft für Softwareentwickler in der Branche von Relevanz sind.

Weitere Informationen

Sailer, M. (2009), Anforderungsprofile und akademischer Arbeitsmarkt: Die Stellenanzeigenanalyse als Methode der empirischen Bildungs- und Qualifikationsforschung. Münster: Waxmann.

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Dr. Michael Goller ist Akademischer Rat in der Arbeitsgruppe Bildungsmanagement in der Weiterbildung an der Universität Paderborn. Er beschäftigt sich in seiner Forschung mit Themen im Spannungsfeld beruflicher Bildung und Digitalisierung von Arbeit.
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Fabian Keßler studierte Wirtschaftspädagogik an der Universität Bamberg. Er beschäftigt sich mit Themen der Digitalisierung im Bereich Automotive.

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