Damit ist doch klar, wer sich um Green IT kümmern muss, könnte man jetzt denken. Aber: Wofür werden all die Hardware und Rechenzentren (auch die der Cloud-Anbieter) denn überhaupt gebaut? Richtig, um darauf die Software laufen zu lassen, die wir als Software-Engineers entwickeln. Der Bedarf an Hardware und Rechenzentren wächst ständig wegen all der Software, die wir schreiben, und der Daten, die wir damit speichern und über das Netz schieben.
Wenn wir da genau hinschauen, dann sehen wir Jevons‘ Paradox in der IT. William Stanley Jevons hat das nach ihm benannte Paradox Mitte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit Kohle beobachtet. Er hat festgestellt, dass der technologische Fortschritt und die damit verbundene Effizienzsteigerung von Kohleverbrauchern nicht, wie eigentlich zu erwarten, dazu geführt hat, dass weniger Kohle verbraucht wird, sondern dass stattdessen mehr Kohle verbraucht wird. Der technologische Fortschritt und der damit verbundene reduzierte Kohlebedarf haben zu einer überproportionalen Verbrauchssteigerung von Kohle geführt, der die Effizienzsteigerungen überkompensiert hat: Je effizienter die Kohle verbrauchenden Maschinen wurden, desto mehr Kohle wurde verbraucht.
Genau dieses Phänomen können wir auch in der Softwareentwicklung beobachten: Je effizienter die Hardware wird und je günstiger uns Rechen-, Speicher- und Netzwerkleistung zur Verfügung steht, desto mehr verbrauchen wir davon – und zwar in einem Maße, dass wir alle Effizienzsteigerungen und Green-IT-Bemühungen der Hardware-Hersteller und RZ-Betreiber überkompensieren.
Das hat natürlich auch mit fortschreitender Digitalisierung zu tun, dass immer mehr Software benötigt wird. Das hat aber auch sehr viel mit gedankenlosem Umgang mit den IT-Ressourcen zu tun. David May brachte es in dem nach ihm benannten May‘s Law auf den Punkt: „Software efficiency halves every 18 months, compensating Moore‘s law“.
Wir können es allerorten beobachten: Der Code ist langsam. Optimieren wir ihn oder kaufen wir einfach mehr Hardware? Mehr Hardware. Ist billiger. Brauchen wir die Daten noch oder können die weg? Ach, lass mal da. Wer weiß? Kostet ja (fast) nichts. Die Anwendung braucht aber viel Netzwerkbandbreite. Na und? Bandbreite ist billig. Die Aufzählung könnte man endlos fortführen. Ressourcen sind billig (und Personal ist teuer). Also wird verschwendet – häufig ohne nachzudenken.
Es gibt noch sehr viel zu tun auf dem Weg zu Green IT. Fangen wir bei uns und unserer Einstellung an.
Uwe Friedrichsen
Herausgeber