Der Autor beginnt seine Überlegungen mit einem Rückblick über die Geschichte der Künstlichen Intelligenz (KI). Im Zusammenspiel mit dem im Vorwort genannten „Speisezettel“ der Anwendungsszenarien für generative KI ist der Leser für die in den einzelnen Kapiteln vorgestellten KI-Anwendungsfälle gewappnet.
Die Aktivierung der KI-Gesellschaft geht nicht nur mit Vorteilen einher: So kann ein "schlecht parametriertes System" gravierenden negativen Einfluss auf das Leben der Menschen nehmen. Zuerst wendet sich Marr der Frage zu, wie man KI "fair" gestaltet und welche gesellschaftlichen Auswirkungen durch die Verfügbarkeit generativer KI zu erwarten sind.
Das fünfte Kapitel klopft verschiedene Berufe auf Ersetzung durch die KI ab. Wer sich in einem "Risikoberuf" befindet, bekommt vom Autor Handreichungen, wie sich das jeweilige Arbeitsfeld in Zukunft verändern wird. Außerdem spricht das Buch die Möglichkeit der Entstehung neuer Arbeitsplätze durch KI an.
Special-Interest-AIs über alles!
In der Messtechnik geht der Trend zur Spezialisierung: Gab es einst einen Oszillografen, so haben sich die Hersteller spezialisiert. Ein gutes Beispiel dafür ist Yokogawa, die Aktivitäten außerhalb des Automotive-Bereichs – nach dem Dafürhalten des Rezensenten – weitestgehend eingestellt hat.
Als erstes Einsatzgebiet wendet sich Marr den Auswirkungen der KI auf das Feld des Journalismus zu. Alarmismus sucht der Leser vergeblich, stattdessen findet sich am "Ende" des Kapitels eine Literaturreferenz, die populärwissenschaftliche und wissenschaftliche Quellen zu den im Kapitel angesprochenen Systemen und Verfahren präsentiert.
Als "nächstes Themenfeld" folgt die Werbung: Spätestens die von Heinz durchgeführte Kampagne mit dem "Ketchup im Weltraum" hat gezeigt, dass Bildgenerator-KIs komplett neue Arten der Kundenbindung ermöglichen. Denn: Baut der Klient ein Bild mit einem KI-Generator und bekommt dafür noch einen kleinen Preis, so fühlt er sich als Mitglied einer technologischen Avantgarde.
Mindestens ebenso interessant ist die Frage, wie sich KI auf das Fortbildungswesen auswirken wird: Das Buch betont die "Änderung im Wie der Wissensvermittlung". Dies ist schon aus dem Grund interessant, weil – beispielsweise – einige Universitäten mittlerweile dazu übergegangen sind, keine (mit einem Generator leicht erzeugbaren) Bachelor-Arbeiten mehr zu verlangen und stattdessen "alternative", "höherwertige" kognitive Aufgaben auch von Undergraduates verlangen.
Interessant sind die Überlegungen zur KI im Spielebereich: Nicht erst seit dem Erscheinen von Klassikern wie O’Reillys "AI for Game Developers" von Bourg und Seemann ist bekannt, dass Spiele ein exzellenter Anwendungsfall für alle Arten von Algorithmen darstellen. Das Buch präsentiert verschiedene Möglichkeiten; in späteren Kapiteln geht Marr auf die Möglichkeit der Nutzung zur Generierung von Assets ein. Naturgemäß dürfen Überlegungen zum "Finanzwesen" zur Abrundung nicht fehlen.
Ein Buch für Denker
Rund zwei Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen von ChatGPT gilt, dass der Buchmarkt voller "MeToo"-Codiertutorien und analogen Werken ist. Sucht der Leser nach einem "Handbuch der Codierung", so wird er mit dem vorliegenden Buch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht oder nur leidlich zufrieden sein.
Das Buch kann seine Stärken vielmehr immer dann ausspielen, wenn der Leser nach einer "philosophischen Gesamtbetrachtung" des Zustands der KI in verschiedensten Gewerken sucht. Diese Aufgabe erfüllt das Buch hervorragend. "Kritisch" ist lediglich anzumerken, dass es – diese Rezension entstand anhand eines Previews – absolut nicht bebildert zu sein scheint.
Titel: Generative AI in Practice. 100+ Amazing Ways Generative Artificial Intelligence is Changing Business and Society Autor: Bernard Marr Seiten: 304 Verlag: Wiley Jahr: 2024 ISBN: 1394245564