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Gansor kommentiert - Artificial Intelligence – lohnt der Nutzen den Aufwand?

Während klassische BI-Ansätze sich oft mit Datenqualität und Governance befassen, zeigt AI neue Wege auf, indem sie Automatisierung, Optimierung und Innovation vorantreibt. Wir werfen einen Blick auf die Herausforderungen und Potenziale von AI und wie sie Synergien mit bestehenden Systemen schafft, um Effizienzgewinne und Skaleneffekte zu erzielen. Praxisbeispiele demonstrieren eindrucksvoll, wie AI bereits heute erfolgreich eingesetzt wird.

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Tom Gansor

Geschäftsführer


  • 18.06.2024
  • Lesezeit: 6 Minuten
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Es mutet dieser Tage vielleicht merkwürdig an, dass BI-Spektrum sich diesem neumodischen Thema widmet. Merkwürdig, wenn gleichzeitig in bestimmten Sphären die Datenqualität essenzieller Indikatoren der Bevölkerungsgesundheit gute Entscheidungen bei hoher Ungewissheit erschwert. Da geht’s um uralte Probleme der BI-Welt, Datenversorgung (FAX das neue ETL …), Datenqualität, Datenhoheit, Governance. Und ja – dafür gibt’s auch seit Jahrzehnten Lösungen.

Insofern in einer anderen Welt – und die ist genauso real –, sucht man mal wieder nach dem Nutzen: „Kostet ihr noch oder profitiert ihr schon?“ – Mit dieser Frage wurde ein befreundeter IT-Projektleiter kürzlich konfrontiert. Ein Déjà-vu. Vor 10 Jahren gab’s die Frage schon mal im Big-Data-Hype, vor 20 Jahren beim Enterprise Data Warehouse. Und nun auch bei Künstlicher Intelligenz – ein eindeutiges Signal, dass man im Hype-Cycle bei der pragmatischen Nutzung angelangt ist. Nach Neugier, Euphorie, unerfüllten überzogenen Erwartungen und eventuell tiefen Enttäuschungen soll es nutzen und sich lohnen.

Die Antwort ist doch trivial – Achtung, es folgen steile Thesen: In der Praxis lässt sich schon der Nutzen für analytische Systeme kaum rechnen. Die Kosten sind bestenfalls halbklar, die Kostenallokation auf die Nutznießer noch weniger klar. Und der Nutzen? Unklar. Stellt sich bestenfalls zeitversetzt ein und kann kaum in Relation zum Aufwand gesetzt werden. Überhaupt entsteht der Aufwand ja wohl seit Self-Service sowieso beim Nutz(nieß-)er. Und was ist denn der Nutzen guter Entscheidungen wirklich? Womit wir wieder beim Eingangsexkurs wären – gute Entscheidungen … Besser fokussiert bleiben: Generationen von BI-Consultants haben mit der Ermittlung des ultimativen Analytics Business Case fakturiert.

Das kann bei AI ja nur noch schwieriger sein – ergo unmöglich?

Ist das wirklich unmöglich? Ist AI hinsichtlich Nutzen und Aufwand wirklich vergleichbar mit konventionellen Analytics-Ansätzen? Sie ahnen schon: Das Nein an dieser Stelle ist provoziert. Der Aufwand lässt sich mit ausreichend Initiative und Methode durchaus ermitteln: Aufwand in Systemen, Projekten und Implementierung, Aufwand im Einsatz und in der Weiterentwicklung. Dahingehend unterscheidet sich AI wohl kaum von anderen Investitionen – einmalige, laufende, totale Kosten je nach Kostenansatz für menschliche Arbeitskraft (und manchmal Intelligenz – MI) und AI lassen sich ermitteln und vergleichen. Ja, vergleichen. Spannend ist hier übrigens der Vergleich mit MI: Was kostete es, AI nicht einzusetzen, um zum gleichen Ergebnis zu kommen? Das könnte so manche Betrachtung obsolet machen. Insofern greift möglicherweise eine konventionelle Aufwands-Nutzen-Betrachtung deutlich zu kurz.

Und AI ist anders. Natürlich denken wir (also ich und eventuell auch Sie als Leser*in dieser Zeitschrift) gern an analytische Business-Cases, Daten verarbeiten, aggregieren, auswerten, für Entscheidungen nutzen. Doch AI kann mehr.

Automatisieren und Optimieren – Gewonnene Erkenntnisse sind nutzbar, um Geschäftsvorfälle und ganze Prozessketten zu automatisieren. Dadurch kann sich ein erheblicher Nutzen ergeben, wie Entlastung bei stupiden Vorgängen, Vermeidung von Fehlern, aber auch die Bewältigung komplexester Aufgaben in endlicher Zeit, bis hin zur Kreativität. Und das Beste ist: Die AI wird mit der Zeit idealerweise klüger/besser. Nach (1) maschineller Produktion, (2) Tayloristischer Arbeitsorganisation und (3) Automatisierung durch IT folgt nun die nächste Stufe der industriellen Revolution: (4) Digitalisierung und Vernetzung, Ablösung der MI. Und das beunruhigt jetzt nicht mehr nur den Kraftarbeiter (wie bei 1–3), sondern auch die Denkarbeiter. Andererseits beschert uns die demografische Entwicklung einen Denkarbeitermangel unbekannten Ausmaßes bei zunehmender Weltkomplexität (Stichwort VUCA – kann man googeln). AI ist daher nicht nur eine Chance, sondern unter Umständen auch die Risikomitigationspille für den Fachkräftemangel.

Innovation – Kreativität ist Schöpfung. Vermarktete Schöpfung ist Wertschöpfung. Kurz gesagt, wenn AI etwas (er)findet, was sich verkaufen lässt, werden neue Geschäftsmodelle möglich, im einfachsten Beispiel: Es werden nicht nur Daten, sondern Wissen verkauft. Und dadurch ergibt sich ein weites Feld möglicher neuer Nutzen.

Universell und adaptiv – Diesem Aspekt wird noch wenig Beachtung geschenkt. Die großen Hyperscaler (landläufig für Cloud-Computing-Großkonzern) haben es allerdings schon erkannt: Viele AI-Use-Cases sind bis zu einem gewissen Grad übertragbar. AI kann lernen, kann sich anpassen. AI-Modelle und darauf fußende Anwendungen sind daher breiter einsetzbar. Das erzeugt Skaleneffekte, weil bei wiederholtem Einsatz mit geringerem Aufwand ein erneuter Nutzen erzeugt werden kann. Königsweg ist hier mal wieder ein Plattformansatz: Schafft man eine skalierbare Plattform, ergibt sich eine Nutzenmaximierungsmaschine. Und es kann sich potenzieren. Bei AI in der Cloud kann man das gut erkennen, an einfachen Beispielen: Die Sprachanalyse und die Ausgabe mittels AI eines großen Cloud-Dienstes werden mit jedem Einsatz besser, und alle anderen Einsätze haben einen höheren Nutzen. Die Hyperscaler tragen ihren Namen zu Recht. Tipp: Das Konzept lässt sich auf eigene Business-Cases übertragen.

AI ist also anders. Die Betrachtung eines Business-Case kann daher nicht nur konventionelle analytische Fragestellungen umfassen – muss sie vielleicht auch gar nicht. Denn der Nutzen durch Automatisierung oder Innovation ist unter Umständen viel offensichtlicher und einfacher zu ermitteln als beispielsweise der vage Nutzen guter Entscheidungen. Und Eigenschaften wie Selbstverbesserung und Skalierung erfordern zumindest eine recht langfristige Betrachtung, um (spät) sinkende Aufwände ins Kalkül zu ziehen. So oder so ist eine fundierte Betrachtung erforderlich, ein fundierter Ansatz. Ein Rahmenwerk für AI-Business-Cases wird ja in einem Titelthema-Artikel dieser Ausgabe vorgestellt.

So viel zur grauen Theorie. Die Praxis ist gern mal bunt. Und erst die Praxis beweist, inwieweit die Theorien aus der Forschung, die Konzepte der Beraterzunft und die Pakete der Hersteller wirklich den gewünschten Nutzen erbringen. Und die Praxis ist auch eines: keine grüne Wiese. AI koexistiert im besten Fall synergetisch mit einer Vielzahl anderer IT-Ansätze und -Organisationen, wie BI und DWH, Big Data und Analytics, Cloud-Computing und dergleichen mehr. Daher stellt sich dann auch immer die Frage, wie das Zusammenspiel funktioniert: Gerade die etablierte analytische Welt widmet sich ja (hoffentlich) den Ursuppenproblemen Datenqualität, Datenversorgung, Governance. Warum also noch mal für AI die Dinge erneut angehen? Hinsichtlich des Aufwands (und später des Nutzens) erscheint es angemessen, bestehende und funktionierende Systeme und Verfahren weiterhin zu nutzen und eventuell sogar zu erweitern, um beispielsweise dem Datenheißhunger von AI-Systemen beim Lernen und beim Anwenden zu begegnen und die nötigen Skaleneffekte zu bewirken. Die Praxisprojekte in dieser Ausgabe belegen eindrucksvoll, wie AI in der Praxis schon heute für Automatisierung, Optimierung und Innovation eingesetzt wird.

Und um auch die Worte aus dem Editorial aufzugreifen: „Auf geht’s“ – gerne, wir entwickeln AI weiter und bringen AI in die Praxis. Doch wo Licht ist, ist meist auch Schatten: Bestenfalls schaffen wir den Nutzen durch Künstliche Intelligenz ohne künstliche Verdummung der menschlichen Intelligenz. Ganz vielleicht hilft AI auch irgendwann der fachkräftemangelnden öffentlichen Hand bei der Bewältigung weiterer Ausnahmesituationen (und by the way: AI kann auch heute schon FAXe lesen und interpretieren … schon lange).

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Tom Gansor

Geschäftsführer
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Tomas Gansor verantwortet als Geschäftsführer bei der OPITZ CONSULTING Deutschland GmbH die kundenerfolgsorientierten Einheiten. Aktuelle Schwerpunkte sind BI-Orga und -Strategie, Digitalisierung und Cloud-Computing. Als TDWI-Fellow engagiert er sich beim Hamburger TDWI Roundtable, als Konferenzsprecher, Fachautor und im Fachbeirat der BI-Spektrum.


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