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Fulltime-Job zum Wunschkonzert

Kommt die Sprache auf New Work, gerät der Kern des Konzepts von Prof. Dr. Frithjof Bergmann oft in den Hintergrund: das zu tun, was man wirklich, wirklich möchte! Das sinnstiftende Arbeiten kann von Technologie unterstützt werden. Vereinbarkeit ist jedoch mindestens genauso wichtig. Der Beitrag zeigt auf, wie sich so eine neue Arbeitswelt schaffen lässt, in der alle einen Platz finden.
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Katrin Dzimiera

Co-Gründerin & Geschäftsführerin


  • 28.10.2022
  • Lesezeit: 12 Minuten
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Der Begriff der New Work wird heute weiter gefasst: Neben dem reinen „Purpose“, also dem Sinn bei der Arbeit, geht es zunehmend um die persönliche Entfaltung, die „Work-Life-Balance“, moderne Arbeitsplätze und neue Zeitmodelle. Digitalisierung und Technologie sind dabei für die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ständige Begleiter. Laptop und Smartphone, Cloud-Lösungen zur abteilungs- oder gar unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit an Dokumenten, der unterbrechungsfreie 24/7-Datenzugriff, Projektmanagement-Tools, geteilte Kalender, der Chat und die Videokonferenz sind im (IT-)Mittelstand angekommen [BMFSFJ-a]. Wie sonst sollte die Arbeit an verteilten Standorten, aus dem Homeoffice oder unterwegs aus der Bahn gelingen?

Der Mensch, das komplexe Wesen

Hier entsteht bereits die erste Herausforderung – auf rein menschlicher Ebene. Denn wo die Technik nur eine bestimmte Nutzung zulässt, stellt jeder Mensch andere Anforderungen, hat andere Erwartungen. Während zum Beispiel die Generation Z eine klare Linie zwischen „Work“ und „Life“ zieht und jede E-Mail nach offiziellem Dienstschluss als übergriffig empfindet, sieht die Gen Y darin einen großen Gewinn – sie möchte sich ihren Tag frei einteilen, statt sich an Kernarbeitszeiten zu halten. Auch das Thema des Homeoffice wird komplett unterschiedlich betrachtet: Während ein Teil der Arbeitnehmer gerne wieder zurück ins Büro möchte, fordert der andere die Aufrechterhaltung der „New Normal Work“ der Corona-Zeit [Flü22].

Der Blick auf das Generation-Z-Office

Völlig neu werden Arbeitszeiten und -plätze künftig wohl auch von der Generation Z betrachtet. Sie musste aufgrund der Pandemie lernen, wie es ist, wenn die Schule an den heimischen Küchentisch umzieht und auch unter widrigen Bedingungen Leistung und Erfolg erwartet werden [Foc]. Diejenigen, bei denen Lehrer am einfachen digitalen Versand von Lernmaterialien scheiterten, bei denen die wacklige Internetverbindung zur unüberwindbaren Hürde für den Unterricht per Videocall wurde und deren Eltern neben dem Vollzeit-Beruf auch noch Teilzeit-Lehrkraft waren, stellen voraussichtlich neue Bedingungen an ihre künftigen Arbeitgeber. Selbstständigkeit und Mitbestimmung gewinnen hier wieder an Wert. Dieses „New Normal“ baut also nicht nur auf Technologie, Automatisierung und Skalierung auf, sondern stellt einen Paradigmenwechsel, einen Kulturwandel dar. Die Entwicklung führt zu mehr Verantwortung der Arbeitnehmer und weniger Steuerung von Arbeitgebern – und sichert damit fast automatisch die individuelle Vereinbarkeit.

Vereinbarkeit geht alle an

Wo die Technologie – die vielmehr Mittel zum Zweck als New Work selbst ist – ortsunabhängiger und in verschiedener Hinsicht flexibler macht, bleibt das Leben weiterhin ein bindender Faktor: Schulpflichtige Kinder, pflegebedürftige Eltern, ein zeitintensives Hobby sind nur drei von unzähligen Beispielen, bei denen auch New-Work-Konzepte an ihre Grenzen stoßen. Zumindest, sofern nicht auch an die Vereinbarkeit gedacht wird. Vereinbarkeit ist keine Nische, die gesamte Belegschaft ist betroffen. Jede Person auf jeder Hierarchieebene und in jedem beruflichen Umfeld hat ein Leben abseits der Arbeit – und somit immer den Bedarf, etwas zu vereinbaren. Sei es der Geschäftsführer, der sich regelmäßige Auszeiten mit seiner Familie wünscht, die Führungskraft, die in der heimischen Pflege einen Angehörigen versorgt, der IT-Admin, der sich als Hobby eine besonders trainings- und somit zeitintensive Sportart ausgesucht hat, oder Alleinerziehende, die aufgrund der persönlichen Umstände nicht mehr als 25 Stunden in der Woche arbeiten können, sich in dieser Zeit aber genauso einbringen möchten wie Kollegen in Vollzeit: Jede Persönlichkeit bringt unterschiedliche Anforderungen an eine Vereinbarkeit mit. Individuelle und oftmals naheliegende Maßnahmen spielen daher ebenso eine Rolle wie gut eingesetzte Technik oder das passende Job-Angebot für jeden „Einzelfall“. Das schafft ein gutes Image und ein gutes Klima im Team. Außerdem steigert es die Effizienz, beseitigt Engpässe und schlägt dem Fachkräftemangel ein Schnippchen.

Jede Lebensphase braucht etwas anderes

Das gilt übrigens auch für Lebensphasen: Ein alleinstehender Berufseinsteiger wünscht sich mehr Zeit für sich. So wie seine Karriere schreitet auch sein Privatleben voran. So verändern sich die Bedürfnisse zum Beispiel von der Partnerschaft über die unbeschwerte Schwangerschaft bis zur Elternzeit und darüber hinaus. Nach den eigenen Kindern sind es die eigenen Eltern, die mehr Aufmerksamkeit und gegebenenfalls sogar Pflege benötigen. Nähert sich das eigene Rentenalter, herrscht oft der Wunsch vor, noch vor dem 70. Lebensjahr das Unternehmen zu verlassen und sich stärker der eigenen Gesundheit oder der Familie zu widmen.

Arbeitgeber müssen reagieren

Was ist die richtige Reaktion auf all diese Anforderungen? Unternehmen haben sich lange Zeit gesperrt, Maßnahmen zu ergreifen – oder haben ihrem Team „All for one“-Angebote oder Silo-Lösungen übergestülpt, die dem individuellen Bedarf keineswegs gerecht wurden. Auch aktuell zeigt sich die Überforderung deutlich: So möchten einige Firmen das Homeoffice wieder abschaffen, wo sich die pandemische Notlage zu beruhigen scheint. Das ist natürlich rechtens, entspricht aber – unabhängig von einer Pandemie – nicht den Bedürfnissen aller Kollegen. Darüber hinaus ist eine solche Entscheidung auch nicht mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit oder mangelnder Effizienz zu rechtfertigen, wie das Klischee von vielen Führungskräften noch immer gepflegt wird [Wiwo]. Im Gegenteil: Eine Erhebung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat ergeben, dass mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen keinerlei Leistungseinbußen während der Homeoffice-Corona-Phase bei ihren Mitarbeitern festgestellt haben, über 30 Prozent haben sogar eine gesteigerte Produktivität wahrgenommen [Hof20]. Das ort- und zeitflexible Arbeiten muss folglich auch weiterhin Bestandteil einer guten HR- und Führungsarbeit sein. Wer sich nicht danach richtet, läuft Gefahr, Mitarbeiter zu verlieren. So erging es zum Beispiel Apple, die eigentlich als attraktiver Arbeitgeber gelten – eigentlich. Dennoch kündigte ihr Direktor für maschinelles Lernen, weil die Konzernvorgaben nur noch zwei Tage Homeoffice pro Woche vorsahen [Futu].

Erfolg „to go“

Tesla-Chef Elon Musk lässt sich davon anscheinend dennoch nicht abschrecken: Er erwartet die Mitarbeiter im Büro – für mindestens 40 Stunden in der Woche [Meed]. Dabei geht es vielmehr um Leistung, nicht um Anwesenheit. Und es geht um Möglichkeiten und Lösungen, die das Arbeitsumfeld Mitarbeiter:innen für ihren persönlichen Vereinbarkeitsbedarf bietet. In diesem Zusammenhang sind auch klassische Büroflächen oder in Deutschland heute noch eher ausgefallene Angebote wie „Workation“ und „Sabbatical“ zu betrachten: Nicht alles ist für jedes Unternehmen gleichermaßen sinnvoll, es können sich aber neue Chancen eröffnen. Potenzielle Mitarbeiter aus dem ländlichen Raum zum Beispiel sind dankbar, wenn sie nicht erst eine Überlandfahrt machen müssen, um den Job zu erledigen, der auch am Laptop im Arbeitszimmer möglich gewesen wäre. Angestellte, die die Welt entdecken und gleichzeitig Karriere machen möchten, sind im Homeoffice im Ausland ebenso produktiv wie an jedem anderen Ort auch. Besonders für den Mittelstand, der keine internationalen Zweigstellen, kein attraktives Standortmarketing in Großstädten und berufliches Reisen anbieten kann, öffnet dies die Tür zu neuen Fachkräften – sofern sie Führungskräfte an Bord haben (oder selbst ausbilden), die fachlich und emotional agieren können. Der Druck zu handeln jedenfalls steigt, denn vor allem in IT-Berufen wird jeder Experte gebraucht, ob IT-Entwickler kurz vor Renteneintritt, Chief Digital Officer in der Karriereblüte, reiselustiger Azubi oder junge Mutter im Marketing in Teilzeit.

Neue Arbeitnehmer erschließen

Eben diese jungen Mütter sind ein weiteres sehr anschauliches Beispiel für ungenutzte Chancen und Potenziale: Frauen werden erst bei der Ausbildung in MINT-Berufen, später dann bei der Suche nach Fachkräften kaum in Betracht gezogen. Sie stecken häufig in prekären Arbeitsverhältnissen oder gar in der Erwerbslosigkeit [BMFSFJ-b] fest, auch wenn sie Teilhabe möchten. Begründet ist das unter anderem in den Geschlechterrollen: Wo Frauen und Technik lange Zeit als top Match galten [SPON], fehlen heute die Vorbilder für weiblichen Nachwuchs! So entsteht ein Henne-Ei-Problem, denn wer nicht gefördert oder gar von vornherein abgeschrieben wird, kann Stärken nicht entwickeln. Bestätigt wird das auch regelmäßig durch Auswertungen wie „Digital Gender Gap – Lagebild zu Gender(un)gleichheiten in der digitalisierten Welt“ [D21]: Frauen schneiden über alle Altersklassen und Fragestellungen zu digitalen Themen hinweg durchweg schlechter ab als Männer. Dafür tragen Frauen bis zum heutigen Tag die meiste Verantwortung für den Haushalt, die Kinder, die Erziehung, die Organisation sämtlicher privater Termine und übrigens auch für häusliche Pflegeaufgaben in der Familie [BMFSFJ-c]. Wer hier als Unternehmen Lösungen schafft, kann sich eine bislang kaum beachtete Zielgruppe schon in der Ausbildung erschließen. Die Möglichkeiten sind groß und Maßnahmen schnell umsetzbar: Flexible Arbeitszeiten, ein anderer Rhythmus als von 9 bis 17 Uhr, ein anderer Arbeitsort als das Büro reichen oftmals aus, um die Vereinbarkeit zu steigern. Wer einen Schritt weiterdenkt, ermöglicht es seiner Belegschaft vielleicht sogar, das warme Essen aus der Kantine gegen einen geringen Unkostenbeitrag auch für zu Hause mitzunehmen. So haben Eltern Zugriff auf ein warmes, gesundes Essen für die Kinder und/oder die alleinlebende Mutter und sparen wertvolle Zeit. Statt eine Stunde im Supermarkt oder am Herd zu verbringen, investieren sie diese lieber in andere Projekte. So gewinnen Unternehmen leistungsfähiges und, fast noch wichtiger, leistungswilliges Personal, schaffen eine dringend erforderliche Diversität und unterstützen dabei, dass Rollen neu verteilt und anders wahrgenommen werden – übrigens sogar gesamtgesellschaftlich.

Wie new wird Work wirklich?

Wenn New Work wirklich neuen Schwung in Unternehmen bringen soll, ist Technologie weiterhin ein wichtiger Baustein: Nur mit ihr lassen sich Remote Work, virtuelle Zusammenarbeit und folglich die Vereinbarkeit sinnvoll und gerecht für alle Mitarbeiter aufsetzen, ob im Homeoffice, in Coworking-Spaces oder an Wechselarbeitsplätzen im Firmengebäude. Ersetzen kann sie jedoch nicht den kulturellen Wandel, der bereits seinen Anfang genommen, die Spitze des Eisbergs aber sicher noch nicht erreicht hat. Damit Unternehmen konkurrenzfähig bleiben, brauchen sie Angebote wie eine 30-Stunden-Woche und lebensphasenorientierte, individuelle Lösungen, um die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer diversen Belegschaft zu erfüllen. Nur so kann es gelingen, Fachkräfte vom Berufseinsteiger bis zum Altersjobber zu binden – und neue, erfolgreiche Arbeitswelten zu schaffen.

Weitere Informationen

[BMFSFJ-a]
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Geht doch! So gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, siehe:
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/geht-doch-so-gelingt-die-vereinbarkeit-von-familie-und-beruf-126862

[BMFSFJ-b]
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Auf dem Weg zur Entgeltgleichheit von Frauen und Männern, 2020, siehe:
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/auf-dem-weg-zur-entgeltgleichheit-von-frauen-und-maennern-159874

[BMFSFJ-c]
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Pflegende Beschäftigte brauchen Unterstützung – Leitfaden für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, 2020, siehe:
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/pflegende-beschaeftigte-brauchen-unterstuetzung-161692

[D21]
Initiative D21 e. V., Digital Gender Gap, Lagebild zu Gender(un)gleichheiten in der digitalisierten Welt, 2020

[Flü22]
Ch. Flüter-Hoffmann, O. Stettes, IW-Report Nr. 2, Homeoffice nach fast zwei Jahren Pandemie, 2022, siehe:
https://www.iwkoeln.de/studien/christiane-flueter-hoffmann-oliver-stettes-homeoffice-nach-fast-zwei-jahren-pandemie.html

[Foc]
Focus, Lehrerpräsident: Haben Corona-Prüfung nicht bestanden! Schul-Erfolg hängt jetzt von 4 Faktoren ab, siehe:
https://www.focus.de/familie/familie_ausbildung/lehrerpraesident-zieht-lehren-aus-der-pandemie-haben-corona-pruefung-nicht-bestanden-schul-erfolghaengt-jetzt-von-4-faktoren-ab_id_13455827.html

[Futu]
Futurezone.at, Apple-Mitarbeiter kündigt, weil er zurück ins Büro muss, siehe:
https://futurezone.at/b2b/apple-home-office-ian-goodfellow-tim-cook/402001773

[Hof20]
J. Hofmann, A. Piele, Ch. Piele, Fraunhofer IAO, Folgeergebnisse: Arbeiten in der Corona-Pandemie – Leistung und Produktivität, 2020, siehe:
https://www.iao.fraunhofer.de/content/dam/iao/images/iao-news/arbeiten-in-der-corona-pandemie-folgeergebnisse-leistungen-produktivitaet.pdf

[Meed]
Meedia, Büro oder Kündigung: Elon Musk beendet Homeoffice bei Tesla, siehe:
https://meedia.de/2022/06/02/office-oder-kuendigung-elon-musk-beendet-homeoffice-bei-tesla/

[SPON]
SPIEGEL Online, IT-Pionierinnen – Frauen sind Naturtalente im Programmieren, siehe:
https://www.spiegel.de/karriere/frauen-in-der-it-die-ersten-programmierer-waren-weiblich-a-847609.html

[Wiwo]
Wiwo, Homeoffice-Umfrage: Deutsche Manager befürchten schlechtere Leistung im Homeoffice, siehe:
https://www.wiwo.de/unternehmen/homeoffice-umfrage-deutsche-manager-befuerchten-schlechtere-leistung-im-homeoffice-/27838208.html

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Katrin Dzimiera

Co-Gründerin & Geschäftsführerin
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Katrin Dzimiera ist Co-Gründerin und Geschäftsführerin von cocowork, einem Beratungsunternehmen für sozial nachhaltige Personalpolitik. Sie ist in verschiedenen Netzwerken aktiv und brennt für digitale, kreative Business-Modelle.


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