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Editorial ITS 5/2025: Projektmanagement in agilen Zeiten

Die Einführung agiler Methoden vor ca. 25 Jahren war ein wichtiger Schritt für die IT. Wir hatten schon lange zuvor den Schritt von komplizierten zu komplexen Vorhaben vollzogen und der Ansatz, der wachsenden Komplexität mit immer aufwendigeren Prozessmodellen und immer ausufernden Planungen zu begegnen, war zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Agilität mit seinem „Inspect & Adapt“ hingegen machte es möglich, zielorientiert und leichtgewichtig auf sich dynamisch und unvorhersehbar ändernde Anforderungen und Rahmenbedingungen zu reagieren.

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Uwe Friedrichsen

CTO, Softwerker & Herausgeber IT-Spektrum


  • 24.08.2025
  • Lesezeit: 5 Minuten
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Das Kind mit dem Bad ausgeschüttet

So weit die Theorie. In der Praxis war es dann wie so häufig, wenn es um größere Veränderungen geht: Auf der einen Seite ist man von einem Extrem ins andere gesprungen. Auf der anderen Seite haben die Bewahrungskräfte von Unternehmen dafür gesorgt, dass die wirklich wichtigen Veränderungen nicht stattgefunden haben. Und so haben wir allerorten fleißig das Kind mit dem Bad ausgeschüttet.

Anfangs sind die agilen „Gläubigen“ erst durch die Konferenzen und dann durch die Unternehmen gezogen und haben alles mit missionarischem Eifer bekämpft, was auch nur ansatzweise nach „früher“ aussah, egal ob es wertstiftend war oder nicht. Allerorten schallten die „Alle Macht den (Entwicklungs-)Teams“-Kampfrufe, während alle anderen Rollen auf dem Altar der Agilität geopfert wurden. Dass die agilen Methoden eigentlich von cross-funktionalen Teams sprachen, die alle Skills und Kompetenzen vereinigen, die man zum eigenständigen Entscheiden und Umsetzen in einer (Fach-)Domäne benötigt, wurde dabei geflissentlich übersehen.

Und so fanden sich die gleichen Personen, die zuvor fremdgesteuerte Erfüllungsgehilfen waren und bloß nicht selber denken sollten, ohne eine ernsthafte Übergabe von Inhalten und Verantwortung plötzlich „empowered“ und „selbstorganisiert“ wieder. Alle anderen koordinierenden Rollen waren ja im Überschwang der agilen Revolution dem virtuellen Schafott zum Opfer gefallen. Einen Moment lang hatten die Entwicklungsteams trunken von der neuen Macht alle Bedürfnisse außer den eigenen zur Nebensache erklärt und lebten ihren agilen Traum. Dann wurden sie von ihrem Umfeld, mit eigenen (relevanten) Bedürfnissen und dem ganzen „agilen Firlefanz“ nicht unbedingt freundlich gesonnen, wieder hart auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Vorwärts in die Vergangenheit

Das Umfeld, speziell das Management und die Fachbereiche hatten sich mit Blick auf Agilität nicht die Bohne für die Bedürfnisse der Entwicklungsteams interessiert, sondern ausschließlich für die von Jeff Sutherland und Konsorten versprochenen 300 Prozent Produktivitätssteigerung durch Agilität. Entsprechend war die Erwartung, dass die Features mit Agilität dreimal so schnell aus der IT herauspurzelten. Als das dann nicht passierte, war ganz schnell Schluss mit lustig. Wofür hatte man all die Leute denn auf überteuerte Scrum-Trainings geschickt, wenn sie danach nicht wenigstens dreimal schneller ablieferten? Und so wurden aus Scrum Mastern Effizienzüberwacher und aus Product Ownern Team-Einpeitscher – sofern die Unternehmen Agilität nicht direkt mit einem solchen Rollenverständnis eingeführt hatten.

Mit SAFe kamen dann wieder ganz viele Rollen mit schicken neuen, „agilen“ Namen dazu. So konnten alle Personen, die vor der Agilität einen oder mehrere Streifen auf ihren Schulterklappen hatten, diese weiter behalten (und letztlich das Gleiche machen wie vorher) – nur mit schickeren, „agilen“ Rollenbezeichnungen. Und die Entwicklungsteams? Die waren wieder fremdgesteuerte Erfüllungsgehilfen, die bloß nicht selber denken sollten. Das taten all die anderen Personen mit ihren Streifen auf den Schulterklappen und den schicken Titeln. Die Bewahrungskräfte hatten sich durchgesetzt. Die alte Ordnung war wieder hergestellt. Hurra!

Von den ursprünglichen Gedanken der Agilität sind meist nur ein paar Cargo-Kulte übrig geblieben. So wird sich einmal pro Tag für ein paar Minuten brav hingestellt und man hat auch weiterhin Sprints. Nur hat das alles nichts mehr damit zu tun, auf die umgebende Komplexität zu reagieren. Das sind meist nur noch sinnentleerte Rituale in einer plangetriebenen Welt. Das funktioniert natürlich nicht wirklich, denn die Welt ist nun einmal hochdynamisch und interessiert sich nicht im Geringsten für die Pläne von Unternehmen. Aber lieber die alte Ordnung gewahrt, als sich ernsthaft auf eine veränderte Realität einstellen. So ist der Mensch nun einmal, solange es nicht fünf nach zwölf ist. Und Unternehmen als Systeme höherer Ordnung, die aus Menschen bestehen, verharren in ihren Mustern und Ritualen sogar bis zehn nach zwölf.

Das verloren gegangene Projektmanagement

Vielleicht könnte an der Stelle Projektmanagement ein wenig helfen. Das kann den Konflikt zwischen plangetriebenen Vorgehensweisen in einer komplexen und hochdynamischen Welt nicht wirklich auflösen. Aber das Beobachten und Bewerten von Risiken und entsprechendes dynamisches Umplanen und Umpriorisieren – eine Kernaufgabe guten Projektmanagements – könnte helfen, besser und flexibler auf die komplexe und hochdynamische Umwelt zu reagieren. Nur ist ausgerechnet das Projektmanagement, neben den Architekten der erklärte Erzfeind aller Agilisten, bei der Rolle vorwärts in die Vergangenheit nicht wieder aufgetaucht. Selbst bei SAFe, das ein ganzes Füllhorn neuer Rollen eingeführt hat, muss man erst ein LPM, ein „Lean Project Management“, auf SAFe aufpfropfen, damit da wieder ein Projektmanagement auftaucht.

So bleibt es mit Projektmanagement in agilen Umfeldern schwierig, auch wenn es echten Nutzen stiften könnte. Deshalb haben wir in diesem Schwerpunkt einige Beiträge gesammelt, die das Spannungsfeld beleuchten und neue Impulse zum scheinbar alten Thema im modernen Umfeld anbieten. Ich wünsche eine spannende und erkenntnisreiche Lektüre!

-> zur IT Spektrum Ausgabe 5/25: Projektmanagement in agilen Zeiten.

Uwe Friedrichsen

Herausgeber

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Uwe Friedrichsen

CTO, Softwerker & Herausgeber IT-Spektrum
Zu Inhalten

Uwe Friedrichsen ist CTO und Softwerker der codecentric AG. Seit der Ausgabe 5/2018 ist er Herausgeber der IT-Fachzeitschrift IT Spektrum, ehemals OBJEKTspektrum.


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