Man wird von allen Seiten mit KI bombardiert, genauer generativer KI. Allerorten neue, bahnbrechende, revolutionäre, die gesamte Welt der IT auf den Kopf stellende KI-Produkte. Schenkt man den ganzen Ankündigungen Glauben, dann wird nicht nur die IT, nein, alle Denkarbeit spätestens in fünf Jahren komplett von allwissenden KIs übernommen. Menschen werden nicht mehr benötigt.
Davon nur schwer trennbar wird regelmäßig das unmittelbare Bevorstehen einer AGI (Artificial General Intelligence), einer „Übermenschen“-KI beschworen und diskutiert, in der gesamten Bandbreite von schillernder Utopie bis düsterster Dystopie. Und das alles in einem Marktsegment, auf das ganz viele Parteien ganz, ganz viel Geld gewettet haben, darauf spekulierend, dass ihre Wetten möglichst viel Gewinn abwerfen, und die entsprechend so ziemlich alles tun, damit sich der erwartete Gewinn auch einstellt.
Dazwischen wir, die wir aus der resultierenden Kakofonie an Meldungen, Meinungen und Mutmaßungen so etwas wie einen Sinn zu extrahieren versuchen, die wir versuchen müssen, uns und unsere nächsten Schritte, unsere Haltung und Positionierung in Bezug auf KI zu definieren. Willenlos allem hinterherrennen, um bloß nichts zu verpassen, bloß nicht abgehängt zu werden? (Generative) KI trotzig als Strohfeuer abtun? Opportunistisch ausprobieren und nutzen, was einen Vorteil verspricht? Abwarten und beobachten, welche langfristigen Trends sich aus dem überhitzten Geschehen herauskristallisieren werden, und dann gezielt einsteigen? Willkommen bei der großen KI-Konfusion!
Ich habe leider auch nicht die perfekte Antwort parat. Persönlich gehe ich davon aus, dass KI mittelfristig auf Angestellte aller Art ähnliche Auswirkungen haben wird wie seinerzeit Roboter auf die (Fabrik-)Arbeiter. Außerdem erwarte ich, dass KI helfen wird, die Mensch-Maschine-Schnittstelle nach Kommandozeile und grafischer Benutzeroberfläche auf die nächste Ebene zu heben, näher in Richtung menschenzentrierter Schnittstellen (HCI, Human Centered Interface).
Aber jenseits davon fängt auch bei mir das Mutmaßen an, denn aktuell ist man mit generativer KI so weit wie zum Beispiel mit Smartphones im Jahr 2008 oder Bilderkennung im Jahr 2013. Tolle neue Technologien, aber was genau kann man damit machen? Welche neuen Anwendungen und Marktveränderungen ergeben sich dadurch? So wie niemand 2008 vorhergesehen hat, dass man sich heute Kleidung per TikTok aussucht, so weiß auch jetzt niemand, was generative KI tatsächlich bringen wird. Wir werden es alle zusammen erst herausfinden müssen, egal was die Marktschreier und Investoren behaupten.
Von daher ist meine persönliche Empfehlung bezüglich des aktuellen KI-Hypes: Genau hinschauen, ausprobieren, gerne auch verwenden, wenn es einen Mehrwert hat, aber keine Panik. Überlassen wir die Konfusion anderen Leuten und schauen uns lieber gemeinsam an, welche spannenden Ideen und Einsichten uns die Schwerpunktartikel in der Ausgabe 2/24 von IT Spektrum liefern.
Ihr Uwe Friedrichsen
Herausgeber