BI-SPEKTRUM: Wo genau liegen die Vorteile einer analytischen Datenbank gegenüber transaktionalen Datenbanken? Der Begriff analytisch erscheint nicht genau definiert.
Golombek: Während transaktionale Datenbanken eher kleine Datensätze verarbeiten, zum Beispiel Überweisungen, arbeiten analytische Datenbanken mit teilweise sehr großen Datensätzen. Das ist an sich nichts Neues. Vor 15 Jahren hat man das Data Mining und Data Warehousing genannt, mittlerweile heißt es Data Science. Letztlich helfen analytische Datenbanken den Unternehmen, aus ihren Daten Schlüsse zu ziehen, um ihr Geschäft zu verbessern. Da geht es um neue Services, neue Geschäftsmodelle, Pricing oder auch Predictive Maintenance. Analytische Datenbanken sind auf diesen Zweck hin optimiert und damit sehr viel schneller als die generischen oder sogenannten Multi-Purpose-Datenbanken wie Oracle oder IBMs DB2, in die die Analytics im Nachhinein integriert worden ist.
BI-SPEKTRUM: Wozu benutzen Ihre Kunden diese Datenbanksysteme?
Golombek: Inzwischen gibt es vielfältige Nutzungsarten. In allen Abteilungen eines Unternehmens werden mittlerweile Analysen gefordert. Das gilt nicht mehr nur für den BI- und Financial-Bereich. Unser englischer Kunde Revolut zum Beispiel nutzt unsere Lösung auch im HR-Bereich, um die Qualität der Einstellungen zu erhöhen.
BI-SPEKTRUM: Etliche Ihrer Konkurrenten haben sich dem NoSQL-Paradigma angeschlossen. Warum arbeitet Exasol auf SQL-Basis?
Golombek: NoSQL-Datenbanken können eigentlich kein Enterprise Data Warehouse sein, weil sie keine standardisierte Schnittstelle haben. SQL stellt genau den Kernbereich dar, an die ich all die BI-Tools anbinden kann. Wenn Sie eine NoSQL-Datenbank verwenden, nutzen die Kunden proprietäre Dialekte der Anbieter dieser Datenbanken. Schon deshalb kann eine NoSQL-Datenbank kein Data Warehouse ersetzen. Außerdem können sie zwar schnell große Datenmengen verarbeiten, aber es handelt sich nicht um analytische Datenbanken. Sie können keine komplexen Joins, keine komplexen Analysen, kein Data Science. Deshalb sehe ich die NoSQLs auch nicht als Konkurrenz.
BI-SPEKTRUM: Welche Nutzer greifen denn auf diese Datenbanken zu? Sind das in erster Linie Data Scientists und BI-Spezialisten oder sind das inzwischen auch ganz normale Business-Nutzer?
Golombek: Das sind zum einen natürlich die Spezialisten, weil sie wissen, wie man im Detail mit den Systemen umgeht. Aber Visualisierungs-Tools wie Tableau haben eine Menge zur Demokratisierung der Datennutzung getan. Diese Tools erlauben es auch ganz normalen Anwendern, die analytischen Systeme zu nutzen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von der Demokratisierung der Datennutzung, weil immer mehr Mitarbeiter im Unternehmen auf diese Systeme zugreifen können. Sie sind nicht mehr den Spezialisten vorbehalten – zumindest gilt das bei einfacheren Analysen. Aber neben Spezialisten und Business-Nutzern wächst auch der Bereich der automatisierten oder der operationalen BI zurzeit sehr stark. Ein großer deutscher Sportartikelhersteller nutzt Exasol zum Beispiel, um in seinem Webshop vollautomatisch die Preise zu optimieren. Das macht ein Algorithmus für mehrere tausend Produkte täglich, ohne dass Menschen in die Preisentscheidungen involviert sind. Das heißt, BI greift in die operativen Geschäftsprozesse ein, ohne dass irgendjemand ein BI-Tool anschaut.
Murray: Es kommt darauf an, wie Unternehmen ihre Analytics- und BI-Bereiche aufbauen. Im Prinzip hat jeder Nutzer durch Tools wie Tableau oder Power-BI heute die Möglichkeit, sich Informationen aus der Datenbank zu holen, ohne dass er über Datenbankwissen verfügen muss. Und es geht natürlich auch viel schneller, wenn ich als Nutzer meine eigenen Fragen entwickeln und stellen kann.
BI-SPEKTRUM: Ist das nicht ein alter, aber nach wie vor unerfüllter Traum von BI-Anbietern, dass ihre Systeme von allen Business-Anwendern genutzt werden und nicht nur von BI- und Datenbankspezialisten?
Murray: Es sind bisher nur wenige Unternehmen, in denen diese Systeme sehr breit genutzt werden. Das liegt daran, dass vielen Leuten noch das Knowhow für die Tools fehlt und sie glauben, nicht genug Zeit zu haben, um ihre analytischen Fragen selbst zu stellen. Aber das ändert sich zunehmend. Wir sehen durchaus einen Trend zu breiterer Nutzung.
Golombek: Dieser Trend wird durch die höhere Priorität gestützt, die Unternehmen heute ihren Daten geben. Viele Unternehmen haben bereits eine explizite Datenstrategie und Chief Data Officer. Die Daten wandern in die Chefetage und entsprechend viel Wert wird auf die Analyse sowie die breite Anwendung der Analyse-Tools gelegt. Einige Unternehmen wie Zalando zum Beispiel akzeptieren keine Entscheidungen mehr, die nicht auf einer Datenanalyse basieren.
BI-SPEKTRUM: Angesichts der zögerlichen Umsetzung von Analytics oder BI für alle – liegt in automatisiertem BI und Analytics nicht der größere Hebel, tatsächlich datengetriebene Entscheidungen auf breiter Front in Unternehmen zu etablieren?
Golombek: Absolut. Aber das kriegt keine Abteilung allein hin. Richtig spannend wird es ja erst dann, wenn ich Daten aus dem Sales, aus der Produktion, aus dem Marketing sowie anderen Bereichen miteinander verknüpfe. Aber da sind noch zahlreiche organisatorische Herausforderungen zu bewältigen. Wenn man das will, kommen Unternehmen nicht darum herum, Datenstrategie zur Chefsache zu machen.
BI-SPEKTRUM: Wie viele Ihrer Kunden haben eine Datenstrategie?
Golombek: Unsere Kunden sind da leider nicht repräsentativ, weil sie den Wert ihrer Daten schon erkannt haben. Deshalb verfolgen sie im Vergleich zur Gesamtheit der Unternehmen deutlich öfter eine explizite Datenstrategie. Ich schätze, 75 Prozent unserer Kunden haben eine.
BI-SPEKTRUM: Was sagt das über Ihre Wachstumschancen, wenn Ihr Produkt nur für die datenaffinen Unternehmen attraktiv ist?
Golombek: Spannende Frage. Ich denke aber, dass wir sehr gute Wachstumsmöglichkeiten haben. Wir haben in der Vergangenheit sehr wenig in Marketing investiert und verfügen daher über einen geringen Bekanntheitsgrad. Das wollen wir mit massiven Investitionen ändern. Gleichzeitig ist der Bedarf für analytische Datenbanken enorm. Die Unternehmen leiden unter sehr hohen Kosten, die sie für Oracle oder DB2 aufbringen müssen, sie lechzen nach modernen Technologien, die ihnen Analysen erleichtern. Wenn wir unseren Bekanntheitsgrad erhöhen und gleichzeitig mehr Unternehmen die Fähigkeiten der Technologie nahebringen können, sehe ich für unser Unternehmen auch weiterhin sehr gute Wachstumsmöglichkeiten.
BI-SPEKTRUM: Natürlich leiden die Unternehmen unter den hohen Kosten traditioneller Datenbanksysteme. Aber diese abzulösen bedeutet auch enorme Investitionen.
Golombek: Es ist ein großer Schritt in Sachen Investition. Aber die Unternehmen können anschließend im laufenden Betrieb Millionen Euro pro Jahr einsparen. Natürlich fällt es schwer, in neue Datenbanksysteme zu investieren. Aber der Schmerz der Fachabteilungen, nicht lieferfähig zu sein, wiegt in Unternehmen zunehmend schwerer als die Kosten für eine neue Technologie. Und durch moderne Softwaretechnologien lassen sich allein hinsichtlich geringerer Hardwareressourcen enorme Einsparungen erzielen.
BI-SPEKTRUM: Wäre es nicht einfacher, den Bekanntheitsgrad und die Bedeutung Ihres Unternehmens für die Kunden zu erhöhen, indem man auch Frontend-BI und Analytics-Tools anböte?
Golombek: Das glaube ich nicht. Zum einen benutzen große Kunden immer Tools mehrerer Frontend-Anbieter. Zum anderen haben die traditionellen Datenbankanbieter ja versucht, ihre Systeme mit Aufkäufen im Frontend-Bereich attraktiver zu machen. Das hat bei keinem dieser Anbieter funktioniert. Im Gegenteil, ihnen brechen die Märkte regelrecht weg.
BI-SPEKTRUM: Sie glauben also, dass die Zukunft den Spezialisten gehört und nicht den großen Software-Suiten, weil sich die großen Integrationsfragen der Vergangenheit nicht mehr in der Vehemenz stellen?
Golombek: Ganz genau. Durch Cloud, durch Schnittstellen, durch intelligentere Software ist es sehr viel einfacher geworden, Systeme miteinander zu verbinden.
BI-SPEKTRUM: Gehen Sie davon aus, dass die Applikationsdominanz einer SAP oder einer Oracle in Bezug auf die Datenbankentscheidungen eine immer geringere Rolle spielen wird?
Golombek: Wir stehen nicht mehr in Konkurrenz zu den großen Applikationsanbietern. Unsere Wettbewerber sind heutzutage eher Snowflake oder Redshift von Amazon.
BI-SPEKTRUM: Gilt das auch für SAP?
Golombek: SAP ist ein Sonderfall. Sie hat ein wirklich gutes Marketing für HANA gemacht, indem sie die Unternehmen glauben ließ, sie verfüge jetzt über die moderne analytische In-Memory-Datenbank. Wenn man aber genau hinschaut, dann wird SAP HANA in erster Linie als Beschleuniger für ihr Business Warehouse eingesetzt. Wir sehen die SAP mit HANA aber nicht im analytischen Enterprise-Data-Warehouse-Markt. Wir haben Kunden mit mehr als 500 Terabyte in einem einzigen Data Warehouse. HANA wurde aus drei alten Produkten zusammengesetzt und ist am Data-Warehouse-Markt nicht wirklich erfolgreich. Einer der größten Sportartikelhersteller hat es mit HANA versucht und nutzt inzwischen Exasol als operationale analytische Datenbank.
BI-SPEKTRUM: Wie können Unternehmen aus ihren bisherigen Data Warehouses raus und auf modernere Technologien umsteigen, ohne dass es sie Kopf und Kragen kostet?
Golombek: Die Migration kann eine Herausforderung sein, vor allem wenn Unternehmen keine richtige Datenstrategie verfolgen. Aber da Datenbanken über eine Standard-Schnittstelle verfügen (SQL), ist der Umstieg eher Fleißarbeit als eine grundlegende Systemänderung. Außerdem können sie auch sanft umsteigen, indem sie zunächst nur bestimmte Use-Cases mit der neuen Technologie bearbeiten und dann nach und nach umsteigen.
BI-SPEKTRUM: Dann müssen die Kunden aber parallel zwei Systeme betreiben?
Murray: Wenn man von vorneherein plant, mittelfristig umzusteigen, ist das natürlich nur vorübergehend. Einige unserer Kunden fangen mit einem für sie wichtigen Bereich an, in dem die Analyse einfach schneller erfolgen muss. Dann entdecken sie die Möglichkeiten unseres Systems und probieren immer mehr aus.
BI-SPEKTRUM: Welche Rolle spielen Ihre Managed-Cloud-Angebote bei der Migration?
Murray: Sie helfen natürlich. Gerade bei mittelgroßen Kunden, die nicht ausreichend Know-how haben, um die Datenbank selbst zu betreiben, kommt das Angebot sehr gut an, die Datenbank zu nutzen, aber nicht selbst betreiben zu müssen. Wir unterstützen daher bereits seit einigen Jahren sowohl AWS, Azure als auch Google. Und wir bieten bereits seit 2011 unsere eigene Exacloud an, die in deutschen Rechenzentren gehostet wird.
BI-SPEKTRUM: Haben Sie nicht Angst vor den Hyperscalern?
Golombek: Nein, gar nicht. Die Hyperscaler bieten zwar immer mehr Analytics-Services an, aber sie setzen dabei auf den Entry-Level-Massenmarkt. Wir sehen unseren Mehrwert im Highend-Enterprise-Bereich. Im Gegenteil erweitern diese Firmen die Verbreitung von analytischen Anwendungen weltweit enorm. Und wenn bestimmte Performance-Anforderungen erreicht werden, dann kommt Exasol sehr leicht ins Spiel.
BI-SPEKTRUM: Wie entwickelt sich der BI-Markt in den nächsten Jahren?
Murray: Die Medien berichten sehr stark über Analytics und automatische BI. Aber wir treffen in den Unternehmen auch heute noch sehr viel Excel an. Ich würde mir daher wünschen, dass die Unternehmen stärker analysieren, den Wert ihrer Daten erkennen und besser nutzen. Im Moment sammeln viele von ihnen sehr viele Daten, aber sie wissen oft noch nicht, was sie damit anfangen können. Außerdem macht mir die noch fehlende Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter in den Unternehmen etwas Sorgen. Tools wie Tableau und Power-BI werden zwar genutzt, um Daten zu visualisieren, aber es ist oft nicht ganz klar, ob die zugrunde liegende Datenbasis die Interpretationen und Visualisierungen auch tatsächlich zulassen. Deshalb müssen die Mitarbeiter noch etwas mehr über Statistik wissen oder ihre Visualisierungen müssen von Spezialisten noch einmal überprüft werden.
BI-SPEKTRUM: Sehen Sie auch in den nächsten Jahren noch genügend Raum für die Entwicklung eher traditioneller BI-Tools oder frisst der Analytics-Markt sie nach und nach auf?
Murray: Ich glaube, dass es noch ausreichend Platz für diese Tools gibt. Vor allem gilt das dann, wenn Anwender nicht versuchen, Dinge mit einem Tool zu erledigen, für die es ursprünglich nicht gedacht war und für die es dann folgerichtig auch nicht so gut funktioniert.