Jede IT-Revolution hatte ihr eigenes Narrativ: das Internet, die sozialen Medien und nun natürlich auch die Künstliche Intelligenz. Die Technologie, die verwendet wurde, war im Gegensatz zur großen Vision, immer recht einfach. Die ersten Implementierungen des IP-Protokolls bestand aus wenigen Zeilen Code, auch die Entwickler der ersten sozialen Netzwerke waren sicher keine Raketenwissenschaftler. So ist es nun auch mit der KI. Die aktuelle „Generative KI-Revolution“ wird weniger durch die Genialität der Entwickler als vielmehr durch eine gigantische Computing Power und riesige Datenmengen angetrieben. Die Algorithmen sind dabei vergleichsweise einfach. Dies ist Fluch und Segen zugleich.
„Die aktuellen KI-Ansätze sind kurz davor, ihre disruptive und transformatorische Kraft voll zu entfalten“
Das Internet und die ersten sozialen Medien konnten sich gerade wegen dieser Einfachheit rasch verbreiten und ihre disruptive Kraft voll entfalten. Genau an diesem Punkt befinden sich auch die aktuellen KI-Ansätze. Sie sind kurz davor, ihre disruptive und transformatorische Kraft voll zu entfalten. Es stellt sich damit die Frage, wie die Auswirkungen dieser Technologie auf uns Menschen sein werden. Für die „Generative KI“ müssen wir hier zwischen den unterschiedlichen Anwendungsszenarien unterscheiden. Systeme, die Bilder, Videos, Stimmen oder Musik erzeugen oder verfremden, haben, neben den vielen rechtlichen Fragestellungen, wie zum Beispiel im Urheberrecht, sicher auch ein gewisses Missbrauchspotenzial. So können mithilfe von Deepfakes Personen in unerwünschten Kontexten gezeigt oder zu unerwünschten Aussagen gebracht werden. Betrüger und Kriminelle in aller Welt freuen sich sicher schon über diese neuen technischen Möglichkeiten. Unabhängig davon werden aber diese neuen KI-basierten „Kreativitätsmaschinen“ ganz sicher viele kreativen Prozesse beflügeln. Wir Menschen werden diese noch ungewohnte maschinelle Unterstützung schnell annehmen und ihr Potenzial für uns erschließen. Ganz anders ist meiner Ansicht nach die Sachlage bei den textgenerierenden Systemen wie zum Beispiel ChatGPT. Der Mensch hat immer noch ein sehr besonderes Verhältnis zum geschriebenen Wort. Wir glauben noch immer, was irgendwo geschrieben steht. Während wir die Kreativität der KI bei Bildern oder auch Romanen noch bewundern, wird „Kreativität“ – oder auch die Lüge – bei Sachtexten sehr schnell zum Problem. Ein Internet überflutet mit automatisch generierten und überzeugend klingenden Fake-News kann nicht in unserem Interesse liegen und am Ende sogar die Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaften gefährden. Solche KI-Systeme sind zwar auf den ersten Blick faszinierend, auf den zweiten Blick jedoch gefährlich. Sie verstehen nichts, sie schaffen nichts Neues, sie sind nicht intelligent. Sie raten nur gut – sie sind nur stochastische Papageien.
„Kreativität – oder auch die Lüge – wird bei Sachtexten sehr schnell zum Problem“
Werden wir solchen stochastischen Systemen, im aktuellen Rausch und im Vertrauen auf ihre vermeidliche Intelligenz, immer mehr Macht geben? Oder schaffen wir es, den Einsatz auf die sinnvollen Einsatzbereiche zu beschränken? Die aktuellen Versprechungen der IT-Industrie geben hier wenig Grund zur Hoffnung. Beim Internet haben sie nicht zur Demokratisierung des Wissens geführt, stattdessen wurden Monopole gebildet. Und auch bei den sozialen Medien haben sie nicht den Diskurs verbessert, sondern eher zur Polarisierung der Gesellschaften beigetragen. Die Frage ist nun, ob Systeme wie ChatGPT unseren Zugang zu Informationen wirklich revolutionieren, oder, wie ein bekannter KI-Forscher es sehr prägnant formulierte, der Einsatz „am Ende nur zu einem riesigen Chaos und einem großen Haufen von bedeutungslosem Mist führen“ wird. Dies wird die Zukunft zeigen. Die bisherige Prognosequalität der IT-Industrie unterstützt eher seine Befürchtung.