Grüne Innenstädte ohne Tankstellen und Parkplätze? Millionen von Kraftfahrern arbeitslos? Betrunken im eigenen Auto nach Hause fahren? Autonome Fahrzeuge haben unsere Fantasie angeregt. Große Zweifel an den vollmundigen Versprechungen der amerikanischen Technologiekonzerne sind aber angebracht.
Es wird daher derzeit schon heftig zurückgerudert. Sollten ursprünglich schon 2020 erste voll autonome Fahrzeuge im Handel verfügbar sein, so gehen Prognosen inzwischen frühestens von 2030, eher später, aus.
Der Ford-CEO Jim Hackett schockte die Branche im April mit der Aussage: „Die Automobilindustrie ist nicht mehr im Vorhersagegeschäft. Das Problem des voll autonomen Fahrzeugs haben wir unterschätzt.“ John Krafcik, CEO der Google-Tochter Waymo, ging sogar einen Schritt weiter: „Wir sind nicht mehr sicher, ob wir das Ziel eines voll autonomen Fahrzeugs, welches in allen Situationen immer zuverlässig funktionieren wird, jemals erreichen können.“ Vielleicht war der weltweit belachte Ausstieg von Apple aus dem iCar-Projekt Titan Anfang des Jahres ja die richtige und mutige Konsequenz aus dem aktuellen Stand der Technik? Haben alle nur geträumt?
Der Einzug der IT in das Fahrzeug hat eine Revolution in der Automobilindustrie ausgelöst. Die Ankündigung, Außenspiegel in Zukunft aus Kostengründen durch Kameras und Bildschirme zu ersetzen, zeigt, wie weit die Entwicklung schon fortgeschritten ist. Beim autonomen Fahren unterscheiden wir zwischen unterschiedlichen Stufen: Angefangen vom Level 0 „Selbstfahrer“ über die Level 3 und 4 „Teil- und Hochautomatisierung“ bis zum Level 5 „Kein menschlicher Fahrer mehr erforderlich“. Bereits in den späten 90er Jahren sind wir schon am DFKI beziehungsweise der Technischen Universität Kaiserslautern mit einem umgebauten Mercedes-Sprinter – und einigen Tonnen Computerequipment im Laderaum – autonom über die Straßen um Kaiserslautern gebraust. Heute sind fast alle der damals getesteten Systeme in Serie zu finden.
Rein fahrtechnisch betrachtet ist das Problem der autonomen Fahrzeuge „im Prinzip“ schon lange gelöst. Fortschritte in der Hardware und Software machen diese Systeme auch kommerziell erschwinglich. „Alles kein Problem!“, wie noch im April Elon Musk für Tesla und später auch Uber behaupteten. Beide Unternehmen setzen auf Flotten von Robotaxis und gestalten ihre Geschäftsmodelle entsprechend um. Tesla will Kunden nun für einen Mehrpreis von nur 6.000 Dollar eine „FullSelfDriving Option“ anbieten. Ist Tesla damit schon weiter als der gesamte Rest der Industrie, oder ist dies nur ein reiner PR-Trick zur Stützung des Börsenkurses? Ich bin mir sehr sicher, es ist die zweite Möglichkeit.
Die Technik ist ja okay, wäre da nur nicht der – ganz wörtlich – unberechenbare Mensch! Die reale Verkehrswelt in unseren Städten ist heute – ohne zusätzliche und damit teure technische Infrastruktur – viel zu komplex und überfordert daher die „intellektuellen Fähigkeiten“ von Maschinen. Ich selbst bezeichne das Problem des voll autonomen Fahrens – in Anlehnung an die Algorithmentheorie – sogar als „KI-vollständig“. Dies bedeutet: Kann ich dieses Problem lösen, habe ich damit auch alle anderen KI-Probleme gelöst. Ich benötige also eine „starke KI“ – die aktuell aber noch reine Science-Fiction ist. Es gibt derzeit keine wissenschaftlichen oder technologischen Belege dafür, dass wir dieses Ziel jemals erreichen können. Die Latte für die Automobilindustrie liegt also ziemlich hoch.
Dies bedeutet, dass KI-Piloten den Menschen im Automobilverkehr auf absehbare Zeit sicher nicht ersetzen werden. Vielmehr gewinnt der Mensch einen intelligenten Assistenten, der ihm ständig zur Seite steht.
Hochautomatisiertes Fahren auf Level 4 wird sicher sehr schnell Wirklichkeit werden. BMW zum Beispiel spricht derzeit vom Jahr 2024, ein realistisches Ziel. Völlig autonome KI-Robotaxis im öffentlichen Raum – ohne menschlichen Fahrer – bleiben aber … ein schöner Traum.