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Agile Methoden im Talent-Management

Eine wichtige Antwort von IT-Unternehmen auf den Fachkräftemangel ist die konsequente Mitarbeiterentwicklung. Als wichtiges Instrument des Talent-Managements lässt sich das „Development-Center“ neu ausrichten und zur „Development-Journey“ weiterentwickeln. Hierfür wird es mit agilen Methoden kombiniert.


  • 23.09.2022
  • Lesezeit: 7 Minuten
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„New Work“ bedeutet mehr als nur Flexibilität bei der Wahl von Arbeitsort und -zeit. Die hier wichtigen Prinzipien von Agilität und Selbstverantwortung lassen sich auch im Talent-Management verankern. Wie können Unternehmen Potenzialträger erkennen und fördern, ohne bei Nominierung, Beobachtung und Beurteilung in althergebrachte vertikale Strukturen zu verfallen?
Zu den klassischen Instrumenten des Talent-Managements gehört das Development-Center als Variante des Assessment-Centers, in dem das individuelle Entwicklungspotenzial eines Teilnehmers im Hinblick auf weiterführende Aufgaben erfasst wird.
Typischerweise identifizieren und nominieren Unternehmen die Potenzialträgerinnen und Potenzialträger hierzu in einem internen Prozess. Am Tag des Development-Centers werden die Nominierten durch höhere Führungskräfte dabei beobachtet, wie sie standardisierte Übungen durchlaufen, z. B. Präsentationen, Fallstudien und Rollenspiele. Am Ende des Tages erfahren sie das gesammelte Feedback zu ihren Stärken und Entwicklungsfeldern sowie die Entscheidung, ob sie für ein „High Potential“-Förderprogramm infrage kommen.
Development-Center dieser Art sind verbreitet und – je nach Qualität der Übungen und der Qualifikation der Beobachter – sehr ergiebig und gewinnbringend, sowohl für die Teilnehmer als auch für das Unternehmen. Das klassische Format ist kaum durch Agilität, Selbstverantwortung und Augenhöhe der Beteiligten gekennzeichnet: Nicht Mitarbeitende selbst übernehmen hier Verantwortung für ihre Entwicklung, sondern sie werden nominiert, beobachtet, beurteilt und einem vorab festgelegten Entwicklungsprogramm zugeordnet („Goldfischteich“). Die Verantwortung für die Teilnahme einzelner Potenzialträger, für den gesamten Prozess und für die Nutzung der Ergebnisse liegt bei den beteiligten Führungskräften und der HR-Abteilung.

Abb. 01: Development Center und Journey

Neue Wege beschreiten

In IT-Unternehmen wie Materna sind die Tätigkeiten der Mitarbeiter traditionell durch große Gestaltungsspielräume gekennzeichnet – sowohl in der IT-Beratung als auch in der Softwareentwicklung. Mitarbeiter bezeichnen sich zurecht als „Autonomiekönner“. Die Wertschöpfung von IT-Unternehmen basiert in der Regel auf dem Know-how ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nicht auf Produktionsstätten und Rohstoffen. Es ist daher von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung, Menschen mit den passenden Talenten für das Unternehmen zu gewinnen sowie sie kontinuierlich und zielgerichtet aus- und weiterzubilden. Nur dann können sie den Kundenanforderungen gerecht und wertschöpfend tätig werden. Besonders gut gelingt dies, wenn Unternehmen dabei die persönlichen Stärken berücksichtigen und fördern. Ein effektives Instrument zur Diagnostik persönlicher Stärken wie das Development-Center ist somit nach wie vor vonnöten. Die „Goldfischteich“-Methode kommt hier jedoch an ihre Grenzen.
Das Konzept der Development-Journey ist eine Weiterentwicklung des klassischen Development-Center-Verfahrens: Es werden sowohl methodische Innovationen als auch Prozessinnovationen konsequent umgesetzt. Die Vorteile des Development-Centers werden beibehalten bzw. sogar maximiert.
Vor diesem Hintergrund lässt sich das klassische Development-Center grundlegend neugestalten und zur „Development-Journey“ weiterentwickeln. Eine solche Weiterentwicklung erfüllt den beschriebenen Nutzen, entspricht aber zugleich den Prinzipien der heutigen Arbeitswelt, z. B. bzgl. Agilität und Selbstverantwortung. Die Weiterentwicklung erfordert sowohl methodische Innovationen als auch den konsequenten Einsatz von Prozessinnovationen. Wichtig ist es, die Vorteile des Development-Centers wie Selbsterfahrung in neuen Anforderungssituationen und Feedback zu persönlichen Stärken und Entwicklungsfeldern beizubehalten oder sogar zu maximieren.

Merkmale der Development-Journey

Acht Innovationen, die wir im Folgenden erläutern, ermöglichen es, das klassische Development-Center zur Development-Journey weiterzuentwickeln:

  1. Anstelle einer Nominierung der Teilnehmer durch ihre Führungskräfte, die zu einer passiven Konsumentenhaltung führen kann, tritt die Anmeldung in Eigeninitiative. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich selbst, z. B. im Intranet oder per Collaboration-Plattform, über die Development-Journey informieren und eigenständig prüfen, wie hoch ihr Interesse an persönlicher Weiterentwicklung ist – und wie intensiv ihr Wunsch nach Feedback und Selbstreflexion. Das Prinzip der Selbstverantwortung greift somit bereits bei der Anmeldung und setzt die Teilnehmenden von Beginn an in den „driver seat“ ihrer Development-Journey.
  2. Ist das klassische Development-Center typischerweise eine singuläre Ein- bis Zweitagesveranstaltung, wird die Development-Journey – daher der Name – als Learning-Journey mit klarem Prozesscharakter ausgelegt. Dazu gehört neben dem Durchführungstag eine intensive Vor- und Nachbereitung, die vollständig in der Verantwortung der Teilnehmer liegt. Wer daran teilnimmt, wird als „Traveller“ bezeichnet. Bei der Development-Journey begeben sich die Traveller auf eine dreigeteilte Entwicklungsreise, die sowohl konzeptionell wie methodisch konsequent neue Wege beschreitet.
  3. Zur Vorbereitung gehört unter anderem die Ansprache und Gewinnung eines persönlichen Feedback-Gebers, dem sogenannten Travel-Guide. Das heißt: Die Traveller akquirieren eigenständig eine Führungspersönlichkeit, von der sie sich besonders wertvolles Feedback versprechen. Im Vergleich zu den Beobachtern im klassischen Development-Center führt dies zu Feedback auf Augenhöhe – und nicht selten entsteht so ein langfristiger Mentee-Mentor-Austausch.
  4. Zu den Elementen der Development-Journey, die die Traveller selbst mitgestalten, gehören zwei Übungsmodule am Durchführungstag: eine Präsentationsaufgabe und eine Gesprächssituation. Bei der Präsentationsaufgabe wählen die Traveller eine aus mehreren Varianten, z. B. die Präsentation einer strategischen Initiative vor der Unternehmensleitung oder die Ansprache zum Verbessern des Teamspirits in einer schwierigen Projektsituation. Bei der Gesprächssituation wählen sie ebenfalls eine aus mehreren Varianten aus, z. B. ein disziplinarisches Mitarbeitergespräch auf Team- oder Abteilungsleitungsebene oder ein kollegiales Feedback-Gespräch. Maßgeblich ist in bei der Auswahl der Modulvarianten jeweils die Frage: „Von welcher Variante verspreche ich mir die interessantesten Erkenntnisse für meine Entwicklung?” Die Traveller übernehmen hierdurch selbst die Verantwortung dafür, wie ergiebig die Übungen sind. Sie maximieren das Feedback-Potenzial und steigern ihre persönliche Alltagsnähe. In der Präsentationsaufgabe könnten sie beispielsweise auf „echte“, bereits gehaltene oder bevorstehende Präsentationen zurückgreifen.
  5. Die Digitalisierung des Konzepts erlaubt sowohl die äquivalente Präsenz- oder Remote-Durchführung als auch die unmittelbare Nutzung von Video-Aufzeichnungen der Übungen für die individuelle Selbstreflexion und das Peer-Feedback der Traveller untereinander.
  6. Beim Peer-Feedback laden die Teilnehmenden andere Traveller als „Peers“ ein, um sich die Videos bzw. einzelne Sequenzen anzuschauen und Feedback zu geben. Besonders wertvoll ist das kollegiale Feedback auf Augenhöhe sowie die Möglichkeit, in den Videos zu erfahren, wie andere vergleichbare Situationen angehen und Herausforderungen lösen.
  7. Ab Beginn der Vorbereitung führen die Traveller ein digitales Lerntagebuch, das Travel Journal. Sie dokumentieren dort sowohl die Ergebnisse der Selbstreflexion als auch die Feedbacks der Peers und der Travel-Guides. So verknüpfen sie einzelne Erfahrungen ihrer Development-Journey direkt mit konkreten Situationen ihres Alltags und leiten persönliche Entwicklungsziele daraus ab.
  8. Im Zuge der Nachbereitung organisiert jeder Traveller ein persönliches Entwicklungsgespräch mit seinem Travel-Guide, seiner Führungskraft und jemandem aus der HR-Abteilung. Gemeinsam erarbeiten diese vier aus den Erkenntnissen der Development-Journey einen individuellen „Future Travel Plan” für den Traveller. Die Entwicklungsziele und -maßnahmen, die sich aus der Development-Journey ergeben, sind damit im Unterschied zu einem festgelegten Förderprogramm im Anschluss an ein klassisches Development-Center passgenau für jeden einzelnen Traveller und seine jeweils aktuelle Situation.
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<ListValue: [StructValue({'title': 'Info: Erfahrungen aus Sicht der Traveller', 'text': 'Während der Pilotierung des neuen Konzepts der Development-Journey bei der IT-Beratung Materna zeigten sich die Traveller\r\nbegeistert. Im Fokus der Feedbacks standen die inspirierende und wertschätzende Atmosphäre sowie die Chance zur\r\nSelbstreflexion und das wertschätzende und entwicklungsförderliche Feedback. Insgesamt war die Zusammenarbeit mit den\r\nTravel Guides sehr vertrauensvoll. Hier einige Teilnehmerstimmen:\r\n„Man konnte sehr viel auch aus den Peer-Feedbacks ziehen.“\r\n„geschützter Rahmen, wertschätzender Umgang miteinander, ausgezeichnete Organisation“\r\n„Feedback von Personen, von denen ich sonst kein Feedback bekommen würde“\r\n„Die Möglichkeit, sich auszuprobieren und zu entwickeln, war großartig.“\r\n„eigenverantwortliche Erarbeitung der Zielsetzung“\r\n„sehr konkretes Feedback mit hilfreichen Tipps und Empfehlungen“\r\n„Die Übungsaufgaben haben sich sehr real angefühlt.“'})]>

Abb. 02: Zufriedenheit

Die methodischen und prozessbezogenen Innovationen transformieren das klassische Development-Center in ein modernes und agiles Instrument des Talent-Managements: Die Traveller begegnen ihren Travel-Guides auf Augenhöhe, erhalten von ihnen entwicklungsförderliches Feedback und leiten daraus ihren persönlich zugeschnittenen „Future Travel Plan“ ab. Die Development-Journey kombiniert somit die Vorteile des klassischen Development-Centers mit den „New Work“-Prinzipien der Agilität und Selbstverantwortung.

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Dr. Claudia Krüger ist seit 2013 bei der Materna Information & Communications SE tätig, aktuell als HR Specialist Learning & Development, zwischenzeitlich als Teamleiterin Personalentwicklung sowie Personalleiterin. Die Schwerpunkte der Diplom-Psychologin liegen in den Bereichen Talent-Management, Führungskräfte- Auswahl und Coaching. Vor ihrer Arbeit bei Materna forschte und lehrte sie als Wissenschaftlerin an mehreren Universitäten.

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